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22. Mai Drangsnes – Eine Zwischenstation. Auf der Anfahrt wird uns wieder einmal mehr bewusst, dass die Szenerien auf Island fast stündlich wechseln. Wir erleben zwar den eher farblosen Frühling, trotzdem erscheint uns diese Insel in immer neuem Licht. Die Fahrt von Fjord zu Fjord ist meist mit dem Überwinden von Pässen, die mit immer neuen Gesteinsformationen oder -adern (z. B. einer deutlichen roten Tonschicht) verblüffen, verbunden. Und man kommt dabei von sonnengeküssten Stränden hinauf in tiefsten Winter mit Schneegestöber und beissendem Wind. Der bringt uns dazu, dass wir uns mit unserem T-Mobil auf dem Campingplatz bei Drangsnes ganz nah an das Gebäude, das wohl so eine Art Gemeindehalle ist, hinkuscheln und hoffen, die Windböen rütteln uns nicht zu sehr durch.
23. Mai Das Pfingstwochenende verbringen wir in Hvammstangi und besuchen das kleine SealCentrum, in dem wir auf kleinstem Raum grosse Informationen zu den Robben und ihrer Lebensweise erfahren. Auch die kleine Boutique mit Selbstgemachtem inklusive einem museal erhaltenen Krämerladen zieht uns – naja, mehr mich als Rolf – an. Ich fühle mich zurückversetzt in meine Kindheit, in der ich stundenlang «Verkäuferlis» spielte. Was Rolf mehr begeistert, ist ein erneuter Besuch im Schwimmbad. Fast jede grössere Ortschaft hat so einen «Sundlaug», der mit warmem Wasser auch im Winter lockt! Das sei der Tatsache geschuldet, dass die Isländer erst seit den 1940er Jahren fanden, es sei nötig, dass alle schwimmen lernten. So berichtete uns ein Isländer in unserem Alter, dass sein Vater erst im Rahmen einer damals grossen Kampagne zur Förderung des Schwimmunterrichts diese Kunst, sich im Wasser zu behaupten, erlernte. Und weil’s so schön sonnig ist, rennen bereits die ersten Kinder unerschrocken in kurzen Hosen rum, trotz für unser Empfinden eher winterlichen Temperaturen und erheblichem Windchill!
25. Mai Weiter geht’s mit dem Entdecken der verborgenen Schönheiten in den Fingern der Fjorde. Wir kommen immer weiter nord-östlich voran und folgen Tipps von Freunden. Es wird langsam frühlingshafter und wir geniessen es, im Windschatten einer Hütte eine Pause zu machen. Doch schon etwas weiter vorne wartet auf uns der «versteinerte Troll», der Fels Hvitsekur, der losgelöst von den Küstenfelsen für sich allein im schwarzen Sand steht. Er ist an sich schon malerisch, doch die kleine Lumme und die nistenden Möwen, denen sie minutenlang mit ihrem Blick folgt, machen ihn gerade für mich zu einem speziellen Erlebnis. Der kleine Vogel veranschaulicht, wie es mir oft geht auf dieser Reise: Ich schaue und staune und könnte wohl stundenlang in manchem Moment verweilen, der so einzigartig ist, wie gerade dieser hier. Denn obwohl ich mich langsam immer näher an ihn ranpirsche, bleibt der Kleine einfach sitzen und lässt sich nonchalant auch von der Seite und von vorne von mir knipsen. Ich bin schlicht hingerissen und kann mich kaum trennen von diesem putzigen Kerlchen. Wir haben aber schon viel Zeit bei der kleinen Robbenkolonie verbracht, die wir auf dem Strandweg zum Hvitsekur entdeckten. Auf dem warmen Sand aalen sich kleine und grosse Robben genüsslich in der Sonne! Was für ein Anblick, so nah und friedlich. Der versteinerte Troll hat uns reich beschenkt mit unerwarteten Begegnungen.
26. Mai Wir fahren zuerst nach Akureyri, der viertgrössten Stadt Islands mit rund 19’000 Einwohnern und grösstes Dienstleistungszentrum für Islands Norden. Als erstes fallen mir die Verkehrsampeln auf: Rot wird als Herz angezeigt, was für eine tolle Idee! Sie ist der Kampagne «I love Akureyri» geschuldet. Als zweites fällt die aussergewöhnliche Kirche ins Auge. Sie ist zwar nicht so gross, wie ihre Schwester in Reykjavik, aber mindestens so imposant, wie sie da über der Stadt thront. Die Stufen werden wir nach unserem Kaffee-Päuschen im T-Shirt wieder raufkraxeln müssen. Aber was soll’s – der Frühlingsausbruch weckt unsere Lebensgeister und wir sind nicht die einzigen. Auch andere stellen sich sofort auf die wärmeren Temperaturen ein und laufen mit kurzen Hosen und ärmellosen T-Shirts durch die «Metropole des Nordens».
Unterwegs zu unserem nächsten Platz bei Husavik kommen wir auch noch am Godafoss vorbei. Auch er gehört zu den Top-Five der Wasserfälle in Island und beeindruckt durch seine Breite, seine tosenden Wassermassen und seine pittoresken Steilwände.
Als wir gegen Abend auf den Campingplatz fahren wollen, treffen wir alte Bekannte von unterwegs. Und sie geben uns den Tipp, noch ein paar Kilometer weiter zu fahren, um endlich Puffins zu sehen. Am Latrabjarg hatten wir ja Möwen und Lummen beobachtet, aber noch keine Papageientaucher. Der Tipp erwies sich als goldrichtig – wir können die schwarz-weissen Vögel mit dem bunten Schnabel tatsächlich beim abendlichen Flug beobachten, wenn sie zum Füttern und Nestbauen an Land kommen. Rolf filmt und ich beobachte. Denn Fotos machen mit meiner Handykamera lohnt sich nicht auf diese Entfernung. Wir sind aber dennoch beide happy und beziehen nach etwa einer Stunde mit den Puffins einen kleinen, aber sehr feinen Campingplatz ganz nah am Strand. Unser Blick beim Abendessen geht übers Meer, das wir ungestört von Nachbarn und Wind einfach still geniessen. Und Bjarne, der Besitzer des Platzes, macht noch romantische Fotos mit Sonnenuntergang von uns.
27. Mai Bjarne und seine Frau kümmern sich wirklich toll um den Platz, es ist richtig gemütlich hier. Und er ist besonders stolz auf das Haus seiner Eltern, das er kurzerhand in ein kleines Museum umgewandelt hat. Mein Sammlerinnen-Herz schlägt höher, als er mich «auf einen schnellen Blick» hereinbittet. Und nur, weil Rolf bereits im Auto auf mich wartet, reisse ich mich nach viel zu kurzer Zeit los von all den Schätzen, die sich hier über die Jahre zusammengefunden haben. Sogar das Boot, das sei Papa mit einem Freund teilte, steht vor dem Haus und bekommt dann und wann einen neuen Anstrich.
Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel – dem See Myvatn – machen wir noch kurz Halt in Husavik, dem Ort, wo nicht nur ein Walmuseum steht, sondern auch viele Walbeobachtungsfahrten starten. Darauf verzichten wir, staunen aber über den hypermodernen, enorm grossen Dreimaster, der da auch vor Anker liegt. Es ist dies tatsächlich die derzeit grösste Segeljacht der Welt und gehört…einem russischen Milliardär, laut Internet-Recherche. Wem denn sonst…
Endlich – der Myvatn kommt in Sicht und wir schauen mal, was wir als Erstes in dieser Gegend machen wollen. Unsere Wahl fällt auf den Vulkankrater Krafla. Wir sind nicht so beeindruckt…der See in dessen Mitte ist noch mit Eis und Schnee bedeckt, anstatt tiefblau zu begeistern und irgendwie kommt kein Vulkan-Gefühl auf. Vielleicht mögen wir Vulkane lieber heiss glühend als abgekühlt? Dafür begeistert uns das Sulfatfeld in der Nähe wieder total. Hier bei den dampfenden Schlammtümpeln von Namaskard geht was! Es dampft, sprutzelt, brodelt und spuckt aus dem Boden und der Geruch nach faulen Eiern lässt ahnen, dass da was Giftiges hochkommt. Ich unterschätze ziemlich die Hitze, die der Dampf entwickelt und laufe einfach durch die Fahne des grössten Hügels. Ups – Ich renne dann doch schleunigst raus, um nicht mein Gesicht zu verbrühen! Rolf schüttelt den Kopf – mit Recht, denn das war eine recht blauäugige Aktion und sie lehrt mich, dass die Natur Naivität im Umgang mit ihren Gewalten sofort bestraft. Trotzdem – ich geniesse mit Rolf das anschliessende Dümpeln im nahen Bad, das gespiesen wird von Grundwasser, welches von 100 Grad runtergekühlt werden muss auf akzeptable Temperaturen und das, weil reich an Mineralien, sehr gut für die Haut sein soll. So oder so – es ist fantastisch, im weissen Wasser zu lümmeln vor der umwerfenden Kulisse mit schneebedeckten Bergen, die mal Vulkane waren.
28. Mai Wir nehmen vom Myvatn noch ein paar eindrückliche Sehenswürdigkeiten mit. Und das nach einer sehr unruhigen, kurzen und stürmischen Nacht. Um 4 Uhr morgens sind wir beide hellwach und fürchten um unser T-Mobil, weil der Wind dermassen heftig an ihm rüttelt. Später wird Rolf bei Recherchen feststellen, dass wir uns umsonst geängstigt haben. Doch im Moment ist an Schlaf nicht mehr zu denken und weil es ja eh taghell ist, packen wir zusammen und geniessen die frühmorgendliche Einsamkeit beim Erkunden der Pseudokrater, der Tuffsteinskulpturen bei Dimmuborgir und der heissen Grotte Grigja. Die Gegend um den Myvatn ist geologisch auch deshalb so interessant, weil hier die beiden Kontinentalplatten von Europa und Nordamerika auseinanderdriften, wie eigentlich ganz Island überhaupt nur wegen dieser tektonischen Verschiebungen entstanden ist. Die Pseudokrater übrigens heissen so, weil sie keine echten Vulkankrater sind, sondern aus einer Art Verpuffung von Wasser entstanden, das vom Lavafluss zugedeckt wurde.
29. Mai Wir besuchen die Halbinsel – oder Landzunge – Langanes. Ein Unterfangen, das einiges länger dauert als vermutet, weil die Strasse hier teilweise eine rechte Herausforderung ist – Sandpiste und Schotterpiste wechseln sich ab und für einmal werden wir nicht vom Wind, sondernvom rauen Untergrund durchgerüttelt. Doch es lohnt sich, hier raus zu fahren. Unser Ziel ist ein Geisterdorf, das nur während etwa 30 Jahren bewirtschaftet wurde. Skalar wurde von Einwanderern aufgebaut, beherbergte zeitweise 100 Einwohner und wurde dann endgültig 1955 aufgegeben. Unterwegs halten wir am Vogelfelsen Skoruvíkurbjarg. Hier nisten Seeschwalben und vor allem Basstölpel dicht an dicht auf wenigen Quadratmetern. Es ist ein Gekreisch und es mieft, aber es ist dennoch faszinierend.
Auch faszinierend ist ein Strandfund der makabren Sorte. Zufällig entdecke ich Skelettknochen von der Strasse her und will erkunden, was für ein grosses Tier da liegt. Erschüttert zähle ich über zwanzig Walskelette in unterschiedlichen Verwesungsstadien. Es scheint, dass hier vor nicht allzu langer Zeit eine furchtbare Tragödie stattgefunden hat. Eine ganze Familie von unterschiedlich grossen Walen ist gestrandet und hat ihr Leben gelassen. Aufgrund des Gebisses, der markanten Kopfform mit «Melone» sowie der deutlich erkennbaren Finne könnte es sich um kleine Schwertwale handeln. Die toten Körper zeugen vom ewigen Kreislauf der Natur und erinnern mich auch wieder daran, jeden Tag auszukosten. Um es mit Charlie Brown und Snoopy von den «Peanuts» zu sagen: «Wir leben nur einmal, Snoopy» – «Falsch, wir sterben nur einmal! Wir leben jeden Tag, Charlie».
30. Mai Was für ein Glück wir doch haben – nicht nur mit dem Wetter, auch mit den Menschen, die wir treffen. Im Austausch mit zwei Reisenden aus Amerika erfahren wir, dass wir unbedingt nach Borgarfjördur Eysti fahren sollen, um da nochmal Papageientaucher zu sehen und diesmal wirklich ganz nah. Natürlich machen wir das. Und tatsächlich – da in einem kleinen Hafen liegt ein Fels, der komplett von Puffins in Beschlag genommen wurde. Und das Tollste: Er wurde zur Beobachtung der knuffigen Vögel so zugänglich gemacht, dass man tatsächlich bis auf nahezu Armeslänge an sie rankommt. Wir sind mehr als begeistert – Ich versinke augenblicklich in diesen Moment und staune, gucke, beobachte die Papageientaucher wie noch nie! Rolf muss mich irgendwann fast wegzerren, weil wir ja noch unser T-Mobil für die Nacht parken und zurechtmachen müssen. Aber was für ein Erlebnis, zum Dahinschmelzen!
31. Mai Wir nehmen den Weg zu unserer letzten Station vor der Rückreise unter die Räder. Bevor wir in Egilsstadir noch zwei Nächte verbringen, wollen wir unbedingt noch den Studlagil Canyon mit seinen beeindruckenden Basaltsäulen sehen. Was wir dabei unterschätzen: diese Sehenswürdigkeit erschliesst sich erst nach einer Wanderung von 1 ¼ Stunden! Hätten wir’s gewusst, wir hätten uns besser ausgerüstet mit Wanderschuhen und Rucksack für die Kamera. Nun – wie die Isländer sagen würden: Erwarte das Unerwartete. Für einmal hätte das geheissen, lieber zu gut ausgerüstet spazieren gehen, als zu wenig ausgerüstet wandern gehen. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt! Der Canyon überzeugt mit seinem Einblick in die geologischen Gegebenheiten auf Island. Die Basaltsäulen zeigen deutlich auf, was Zeit und physikalische Kräfte sogar mit hartem Gestein vollbringen. Sie stehen mal gerade, mal verbogen, mal liegen sie und mal brechen sie auseinander. Immer aber offenbaren sie ihre Lieblingsgestalt in Form von einem Hexagon. Basalt kann auch andere Formen annehmen, aber das Sechseck bevorzugt dieses Gestein eindeutig. Wir hätten es bevorzugt, besser über die Wanderung informiert zu sein. Oder darüber, dass auf der gegenüberliegenden Seite eine Plattform mit dem Auto gut zu erreichen wäre. Unsere alten, müden Knochen hätten es gedankt! So aber sinken wir nach einer fast dreistündigen Wanderung irgendwann matt in unsere Betten.
02. Juni Nach vier überwältigenden, erlebnisreichen und glücklichen Wochen bereiten wir uns auf die Abreise zurück nach Dänemark und Deutschland vor. Wir erleben Egilsstadir im Frühlingskleid – was für ein Unterschied zu unserer frostigen Ankunft! Und Seydisfjördur darf nun auch erkundet werden. Vor 4 Wochen mussten wir ja umgehend in Quarantäne, da blieb keine Zeit für Sightseeing. Nun entdecken wir dieses kleine Juwel im frühlingshaften Sonnenschein, ein Genuss! Und dann geht es ab auf die Fähre. Die Norröna wartet schon und füllt imposant fast den kleinen Fjord aus! Es geht ans Abschied nehmen – wir gestehen uns gegenseitig ein, dass wir das mit einem lachenden und einem weinenden Auge tun. Lachend, weil wir uns freuen auf mehr Wärme und weniger Wind und so auch Campingzeit unterm Vordach und nicht nur im T-Mobil drinnen. Weinend, weil uns diese Insel so viel irdische Schönheit und Erhabenheit gezeigt, so viel wundervolle Begegnungen mit Tieren und Menschen beschert und uns unvergessliche Erinnerungen an Vulkane, Geysire und Wassergewalten geschenkt hat.
03./04./05. Juni Die Rückreise mit der Norröna verschafft uns eine Pause, die wir vor allem mit Arbeiten an den Filmen (Rolf) und am Blog (Yvette) verbringen. Ansonsten holen wir Schlaf nach, vergnügen uns mit deutschem Fernsehen (gab es auf der Hinreise noch nicht!) und dem Essen am Buffet, das einmal wegen zu wenig Reisenden ausfällt und wir nochmal das 3-Gang-Diner geniessen dürfen. Wir sehen auf dem Meer eindeutig mehr andere Schiffe, als auf dem Hinweg. Und unsere Kabine ist etwas kleiner, weil es halt doch mehr Passagiere hat, als vor einem Monat. Dafür begegnen wir noch einmal zwei Familien aus der Schweiz, die wir auf Island kennen gelernt hatten und die mit der Norröna ebenfalls jetzt weiterziehen – die einen «nur» auf die Färöer Inseln, die andern Richtung Schweden/Lappland. Auch diese flüchtigen Begegnungen sind ein Geschenk, man gibt sich Tipps und tauscht Erfahrungen aus und unterstützt sich handfest, wenn nötig.
Was bald mal kommt – ein erster Film von Rolf und eine Bildergalerie – guckt einfach wieder rein… Und damit sage ich auch im Namen von Rolf für den Moment Tschau – Hebet Eu Sorg, bliibet gsund und bis bald!
Mark
Thanks for your blog, nice to read. Do not stop.
Yvette Anhorn
Thank you so much! Do I know you? What in particular do you like? I’m just curious… Greetings from acually Paraguay!