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10.12. – 22.12.2022 – Unruhen, antike Schätze und Zivilisationsfolgen – Cusco und die Westküste Perus

Nach dem spannenden Tag bei den Schilfinselbewohnern geht es auf direktem Weg nach Cusco. Unterwegs fahren wir durch ein Dorf, in dem die Frauen ganz spezielle Kopfbedeckungen tragen: der Hut ist eine Art Dreispitz mit bunten Bommeln. Erinnert irgendwie an den Schwarzwald. Überhaupt sind die Frauen in diesem Land ein Hingucker: Jedes Dorf hat seine eigene Kopfbedeckung und die kann eben mal sehr bunt und auffallend sein, dann wieder schlicht wie die bekannte «Melone», die viel zu klein auf dem Kopf balanciert wird. Die bauschigen Röcke und Unterröcke verstecken meist die zierliche Figur der eher kleinen indigenen Frauen, schöne Blusen ergänzen das Outfit. Mit diesen Trachten wird der Alltag gelebt, sie sind nicht nur für Festtage da! Und dann kommt ganz oft ein Tragetuch hinzu, in dem alles Platz hat von Babies über Kleinkinder (die man im Tuch drin nie weinen hört) bis zum Einkauf oder mal ein kleines Tier. Alles wird in diesen Tüchern transportiert, auch schon mal von Männern. Unser Weg ist auch eine Reise durch das bäuerliche Leben im Altiplano. Selten sehen wir schwere Maschinen, vieles ist harte Knochenarbeit. Die Häuser bestehen oft aus Lehmziegeln, die entweder von der Sonne oder über einem Feuer getrocknet werden. Natürlich sind diese Mauern nicht für die Ewigkeit gemacht, aber sie erfüllen viele Jahre ihren Zweck. Und die Landschaft ist einmal mehr einfach unwirklich mit schneebedeckten Gipfeln.

Kurz vor Cusco besuchen wir eine weitere Ausgrabungsstätte: Pikillacta, die «Stadt der Flöhe» oder «Flohstadt» (Kleinstadt) in Quechua. Wie auch Tiwanaku wird diese Stadt der Wari-Kultur zugeordnet und wohl gegen Ende des 6. Jahrhunderts erbaut. Die Wari verfolgten beim Städtebau ihr Konzept der geometrischen Anordnung, nach dem Gebäude, Höfe und Plätze in rechteckigen Formen angelegt sind. Insgesamt umfasst Pikillacta 700 Gebäude, 200 Felder und rund 500 Lagerhäuser, die auch teilweise Wohnhäuser sein könnten. Die aus Stein und Lehm erbauten Häuser wurden innen mit Gips bedeckt und dann die Wände bemalt. An die 10’000 Menschen sollen hier gelebt haben. Ende des 9. Jahrhunderts wurde die Stadt aus unbekannten Gründen aufgegeben. Ob die Inkas daran schuld waren? Man hat dazu keine gesicherten Erkenntnisse. Aber was man weiss, ist dass die Wari-Kultur grossen Einfluss auf die Inkas hatte, sei es bezüglich Bauweise der Mauerwerke oder der Umverteilung landwirtschaftlicher Produkte.

In Cusco angekommen, entdecken wir zunächst mal auf dem Camping-Platz gleich nochmal zwei Schweizer Wagen mit Appenzeller Nummernschildern! Die «Innerrhoder» haben das Auto da eingestellt für einige Zeit, der «Ausserrhoder» entpuppt sich als junger Mann, mit dessen Vater ich dereinst in die Schule ging. Wer behauptet, die Welt sei ein Dorf, hat nicht übertrieben! Wir wollen ein paar Tage bleiben, bevor wir weiter ins Tal ziehen, um uns noch ein paar Sehenswürdigkeiten zu gönnen. Erstmal aber erkunden wir die Stadt. Cusco ist erbaut worden auf den altehrwürdigen Mauern aus der Inkazeit. Die Spanier nahmen einfach das Fundament und setzten ihre Gebäude darauf. Das sieht man an fast jeder Ecke der Stadt, am eindrücklichsten aber in der Gasse, in deren Seitenmauer der 12-eckige Stein zu sehen ist. 12 Ecken für 12 Monate des Jahres. Diese passgenaue Bauweise soll auch sehr erdbebensicher sein. Können wir gut nachvollziehen, stehen diese Mauern doch seit Jahrtausenden fest und unverrückbar. Noch mehr davon sehen wir in den Ruinen von Saksaywaman. Der Ort hoch über Cuscos Dächern diente als Fort, als Kultstätte und zur astrologischen Beobachtung. Beeindruckend auch hier: die Mauern, deren grösster Einzelblock 9 Meter hoch, 5 Meter breit und 4 Meter dick ist bei einem Gewicht von 200 Tonnen. Man fragt sich zu Recht, wie solche Brocken bewegt und an die passende Stelle gehoben werden konnten, ohne technische Hilfsmittel, wie wir sie kennen. Eine weitere Festungsanlage ist Puka Pukara am anderen Eingangstal nach Cusco. Hier konnten sich Stafettenläufer ausruhen, wenn sie ihre Nachricht überbracht hatten. Und nur wenige Schritte davon entfernt stösst man auf Tambomachay, ein Erholungsort mit der Fassung einer heiligen, warmen Quelle. Cusco hatte also schon zu alten Zeiten seinen Einwohnern und Einwohnerinnen viel zu bieten.

EIGENTLICH…wollten wir nach zwei Tagen aufbrechen zu weiteren Sehenswürdigkeiten in der Region. ABER…Wir geraten zwischen die politischen Fronten und in die ersten ernsthaften Proteste. Es folgt eine Ausgangssperre und wir sitzen fest auf unbestimmte Zeit. Rolf nutzt die Zeit, um Filme zu schneiden. Ich lerne, wie man Pasta macht und backe Brot und räume etwas um und auf im T-Mobil. Menschen aus aller Welt – Backpacker und Pauschaltouristen – sitzen fest und werden von ihren Botschaften ausser landes gebracht. Wir warten mal ab – und siehe da: Nach 5 Tagen erfahren wir, dass wieder alles seinen gewohnten Gang geht. Da wir hören, dass auch die Protest-Blockaden auf der Strasse wieder geräumt seien, wagen wir es und brechen auf Richtung Küste. Um ganz sicher zu gehen, schliessen wir uns mit einer kolumbianischen Familie und unseren Bekannten aus Frankreich zu einem Konvoi zusammen. Leicht angespannt fahren wir an geräumten Strassenblockaden vorbei in zwei Tagen runter nach Nazca an der peruanischen Atlantikküste. Und von da geht es in Etappen weiter auf der Panamerikana nordwärts.

Eher zufällig stolpern wir erstmal über einen wichtigen archäologischen Komplex. Und wer hat’s gefunden? Der Schweizer Fréderic André Engel entdeckte bei Erkundungen der Küstenregion die Strukturen einer grossen Anlage direkt am Meer. Bis heute werden die Forschungen fortgesetzt und die Ergebnisse über das Alter und die Herkunft sind noch nicht wirklich gesichert. Sie stammt wohl aus der Antike, war ein wichtiges Handels- und Kulturzentrum, in welchem auch astronomische Forschungen betrieben wurden. Welches Volk genau diesen Ort für seine Sesshaftigkeit erwählte, ist noch nicht erwiesen. Auf dem Weg nach Ecuador haben wir ja noch die «Ciudad Tschudi» auf dem Plan, die Ausgrabungsstätte der einstigen Hauptstadt Chan Chan des Chimor-Königreichs. In seiner Blütezeit beherbergte die Anlage an die 100’000 Einwohner auf etwa 20 Quadratkilometern. Ein Glarner Naturforscher (Wo sich die Schweizer überall rumtreiben!) war wesentlich an den Ausgrabungen in Chan Chan beteiligt und nach ihm wurde der Palast Nik An zunächst benannt: Johann Jakob von Tschudi. Auch ohne diesen Schweizer Touch würden wir diese Ruine besichtigen wollen – sie ist einfach faszinierend.

Auch eine gewisse Faszination geht von den unendlichen Müllhalden entlang der Panamerikana aus. Quadratkilometer um Quadratkilometer liegt der Abfall der Städte und Dörfer links und rechts der Hauptverkehrsader durch Peru herum. Auch Mittelstreifen sind Ablageorte. Oder eigentlich geschützte archäologisch wertvolle Gebiete. In den Berggebieten haben wir auch viel Mülldeponien gesehen – wild die meisten. Doch was hier vom Winde verweht wird, in Bäumen und Sträuchern hängt, als Teppiche an den Küsten dümpelt und sich als bunte Berge entlang der Strasse türmt, ist wirklich entsetzlich und einmalig bislang. Zivilisation und ihre unschönen Nebenwirkungen – hier wird einem das sehr deutlich vor Augen und Nase geführt! Schade um die eigentlich schöne Wüstenlandschaft.

Aber Ecuador nähert sich und damit auch wieder grünes Bergland!

06.12. – 09.12.2022 – Tiwanaku und Titicacasee – Reisen in die Vergangenheit des Altiplano

Von La Paz starten wir sehr, sehr früh – wir wollen dem Morgenverkehr entkommen, damit wir die steile Strasse rauf schaffen, ohne unsere Kupplung zu verheizen. Das schaffen wir auch, dank dem Start schon um etwa 6 Uhr. Womit wir nicht gerechnet haben: Die Bolivianer stehen auch ziemlich früh auf und um etwa 7 Uhr stecken wir dann auf dem Plateau in El Alto (immerhin schon in der Ebene!) im schönsten Stau. Wir stehen tatsächlich Rückspiegel an Rückspiegel für etwa 10 Minuten, bis sich dieser gordische Verkehrsknoten wie durch ein Wunder auflöst. Und dann haben wir endlich freie Bahn. Unsere erste Ausgrabungsstätte wartet kurz vor der Grenze zu Peru noch auf bolivianischem Boden. Etwa 70 km von La Paz entfernt liegt Tiwanaku, eine Stadt die vor der Zeit der Inka entstand und von deren Architektur sie sich inspirieren liessen. Uns fallen vor allem – nebst den grossen Stelen mit ihren faszinierenden, eingeritzten Gesichtern und Mustern – die präzisen Mauerwerke auf. Jeder Stein ist so gehauen, dass er exakt auf, unter und neben den nächsten passt, fugenlos. Nicht mal ein Blatt Papier könnte man dazwischen quetschen! Das sehen wir in Natura zum ersten Mal sind wir fasziniert von der exakten Arbeitsweise – vom kleinsten Stück bis hin zu riesigen Steinblöcken wurden sie genau behauen und angepasst an ihre Nachbarsteine.

Nach unserem Ausflug in die Vergangenheit geht es weiter in die Zukunft – der Grenze von Peru entgegen. Zuvor aber wartet der Titicacasee auf uns. Wir müssen mit einem kleinen Boot eine Bucht queren bei San Pedro de Tiquina. Während wir darauf warten, dass sich unsere Nussschale von Fähre füllt – nur für ein Auto setzen sie nicht über – fragen wir uns ernsthaft, ob diese kleinen Schiffchen tatsächlich Busse und andere grössere Autos tragen! Spoiler: JA, sie tun’s und sind dabei wendig und schnell. Und danach tauchen wir ein in eine völlig andere Szenerie als die letzten Tage: Der Titicacasee ist mehr als 15 Mal so gross wie der Bodensee und entlang seines Ufers geniessen die Menschen seit Jahrtausenden den Luxus des Wassers. (Heute leider durch Minenbewirtschaftung stark verschmutzt!) So sind neben Landwirtschaft trotz Wasserverschmutzung auch die Fischerei und Fischfarmen eine gute Quelle für das tägliche Auskommen. Wir sehen auch hier wieder viele terrassierte Felder und auf dem Hochplateau begegnen uns Bäuerinnen und Bauern in typischer Landestracht. Sie gehen ruhig ihrem Tagesgeschäft nach, manchmal sitzen Frauen mit ihren Handarbeiten am Strassenrand. Nach einigen Stunden Fahrt in dieser üppigen Landschaft finden wir unseren Übernachtungsplatz in Copacabana am See!

Wir fahren nach einer ruhigen Nacht an den Gestaden des Sees weiter. Uns wurde ein paar Fahrstunden von hier ein Stellplatz mit Hotel empfohlen, von dem aus wir eine Fahrt zu den Uro machen könnten, einem aussergewöhnlichen Volk, das den Titicacasee seit vielen Hunderten von Jahren auf seine ganz spezielle Weise nutzt. Der letzte Abschnitt dieser Anfahrt allerdings gestaltet sich etwas abenteuerlich, geht es doch ziemlich «stocksteinigstutzig» von der Hauptstrasse die steile Zufahrt Richtung Seeufer runter. Aber wie immer unterschätze ich das Fahrverhalten unseres treuen T-Mobils und wir kommen heil an. Und gleich fragen wir nach dem Boot, das uns am Folgetag zu den schwimmenden Dörfern fahren soll.

Am nächsten Morgen trotzen wir dem Regen und lassen uns eine Stunde lang in einer Nussschale zu den Uros fahren. Vom Dorfchef persönlich werden wir in die Geheimnisse der Traditionen dieser Menschen eingeführt, die sich einst vom sicheren Ufer weg auf Schilfinseln geflüchtet haben, um Angreifern elegant auszuweichen. Noch etwa 2’000 vom Volk der Uro leben in Familienverbänden auf Inseln, auf denen es sich wie auf Wolken geht. Zum Bau wird Schilf gestochen, zusammengebunden und dann mit immer neuen Schilfrohrschichten bestückt. Nach etwa 2-3 Jahren hat die Insel, die bis zu 10 Familien beherbergen kann, ihre optimale Dichte erreicht und hält etwa 20-30 Jahre. Die Uros ernähren sich vom Fischfang, der Vogeljagd und dem Handel mit dem Festland. Natürlich wird auch Kunsthandwerk hergestellt und heutzutage bringen Touristen wie wir etwas Geld in die Kasse. Ursprünglich lebten die Uros an den Ufern des Titicacasees auf dem Festland, dem höchstgelegenen schiffbaren See der Welt übrigens. Dann aber kamen immer öfter feindliche Angreifer in die Nähe, wie zum Beispiel die Inkas. Um denen auszuweichen, wurden die Schilfinseln «erfunden». Sie liegen normalerweise fest vertäut quasi vor Anker, können aber bei Bedarf rasch losgemacht werden und so die Menschen in den Weiten des weitläufigen Sees Schutz bieten. Aber –Auch die Uros zieht es zunehmend in Dörfer und Städte, um die «Annehmlichkeiten» des modernen Lebens zu geniessen. Verständlich einerseits – schade um die Tradition andererseits. Uns auf jeden Fall gefällt der Ausflug sehr. Mehr davon gibt es auf unserem Filmkanal. Rolf hat die Ausführungen des Dorfvorstehers mitgeschnitten: https://youtu.be/WmESwxQI4t4  

Und wir wandeln weiter auf den Spuren der Inkas Richtung Cusco! Wo uns dann die politischen Unruhen doch noch einholen werden…

29.11. – 05.12.2022 – Über den Dächern schweben – La Paz, bunte Märkte und „Mi Teleferico“

Von einer Hauptstadt zur nächsten – das ist unser Fahrplan! Die Reise führt uns im Hochland Boliviens vorbei an kleinen Dörfern, wo Kleinbauern das Land nach alter Väter Sitte bewirtschaften. Wir sehen kaum Landwirtschaftsmaschinen, dafür eine Menge von Ochsen- und Maultiergespannen, die Pflüge oder Karren ziehen. Hinter dem Pflug läuft die Familie und sät oder setzt Pflanzen wie Mais, Kartoffeln, auch mal Kürbis oder Kohl. Wir sehen wieder viele Terrassenfelder, manchmal richtig steil die Hänge hinauf. Das Land erodiert stark, Wasser ist ein rares Gut, was sicher auch der Urbarmachung geschuldet ist. Doch hier wird seit Tausenden von Jahren so gewirtschaftet und noch erhält das Bauerngewerbe die Familien der indigenen Völker in den Anden. Bei einem Fotohalt wird ein Bauer auf uns aufmerksam und er schwatzt ein wenig mit Rolf, während ich Fotos mache. Mit einem herzlichen Lachen wünscht er uns eine sichere und gute Weiterreise – was für eine nette Begegnung! In Oruro, einer wirklich nicht sehr schönen Stadt, feiern wir Premiere: Wir übernachten auf dem Flugplatz, weil es laut unserer Reiseapp iOverlander weit und breit der sicherste Stellplatz ist. Das sehr freundliche Wachpersonal ist fasziniert von unserer Kabine, die viel mehr Platz bietet als von ihnen vermutet. Und wieder stellen wir fest: Die Menschen sind ähnlich wie in der Schweiz – eher distanziert auf die Entfernung. Dann jedoch sehr freundlich, wenn man auf sie zugeht. Vielleicht sind allgemein Bergvölker einfach so?

Am folgenden Tag nehmen wir den Rest der Strecke nach La Paz unter die Räder. Der Weg in die Metropole mit Regierungssitz von Bolivien führt über die einstmals selbständige Stadt El Alto – eine Ansammlung von Häusern entlang des Rands der Schlucht, in deren Abgründen sich La Paz ausbreitet. Immer wieder will uns Google Maps direkt in die steilen Strassenschlunde führen, die – so haben wir das Gefühl – senkrecht im Häusermeer unter uns verlaufen wie Wasserfälle aus Sand und Stein. Wir gehorchen den Anweisungen aus dem Lautsprecher wohlweislich nicht und bleiben stur auf der Hauptstrasse Ruta 1, bis sie in die Ruta 3 mündet – eine breite, mehrspurige Strasse, für die wir Maut zahlen. Aber die windet sich in grosszügigen Kurven und über Brücken hinunter auf den Talboden und führt erst unten mitten durch die belebte Grossstadt. Da wartet zwar Stau an den Ampeln, aber immerhin fahren wir auf Asphalt. Bis wir in eine der vielen kleinen Schluchten abzweigen und sich die Strasse in die Höhe schraubt, zu Schotter wird und wir schimpfend im Durcheinander der Häuser irgendwann endlich den angestrebten Stellplatz finden. Und da bleiben wir dann für fast eine Woche, in der Rolf von „Montezumas Rache“ heimgesucht wird, wir die Schweizer Nati in den Achtelfinal anfeuern, unserm Wagen einen Ölwechsel gönnen und Spass haben, die Stadt von oben zu geniessen.

Nachdem die Erreichbarkeit eines gewissen Örtchens für Rolf nicht mehr so dringend ist, machen wir uns auf in die engen Gassen von La Paz und zahlreiche, hier versteckte Entdeckungen. Es gibt überall in der Stadt verteilt Märkte, wo man tatsächlich alles kaufen kann, was das Herz begehrt. Den Hexenmarkt sehen wir leider nur beim Durchfahren mit dem Taxi – wir finden ihn später vor lauter anderen Angeboten nicht mehr. Ich brauche dringend eine neue kleine Kamera, um weiterhin Nahaufnahmen in der Natur zu machen. Die alte Kamera hat zuviel Sand im Getriebe und ihr Zoommotor läuft heiss.. So suchen wir erstmal nach einem Händler für Kompaktkameras. Danach dann tauchen wir ein in einen der vielen Märkte in den Strassen von La Paz. Und staunen ob der Vielfalt des Dargebotenen: Mais in ungewohnten Farben, Kartoffeln und Gewürze, Weihnachtsschmuck und Haushaltwaren, Kleider, Schuhe…und dazwischen Fleisch und Essensstände. Ein herrlich buntes Gewimmel!

Die berühmte Bahn „Mi Teleferico“ ist ein Geflecht von zehn Seilbahnlinien, das sich auf eine Gesamtlänge von 30‘430 Kilometer erstreckt. Jährlich nutzen an die 300‘000 Fahrgäste diese komfortable, aber nicht ganz günstige Fortbewegungsart hoch über den Dächern von El Alto und La Paz. Auch wir gesellen uns an zwei Tagen zu ihnen und geniessen die Aussicht über diese einzigartige Stadt, die sich vom Boden der Schlucht, die vom Choqueyapu-Fluss geschaffen wurde, hoch hinauf zum Altiplano schraubt. Und je nach Höhenlage sind die Einwohner reicher oder ärmer – in den tieferen Lagen ist das Klima weitaus angenehmer als höher oben und so orientiert sich die wohlhabende Schicht eher nach unten und umgekehrt finden sich die provisorischen Backsteinhäuschen der Einkommensschwachen eher in den Höhen der vielen Seitenschluchten. Mit der Teleferico zu fahren macht enorm viel Spass, ich hätte gern noch einen weiteren Tag in den luftigen Höhen mit Ausblick auf den Alltag der La Pazer von oben verbracht.

Zum Abschied gönnen wir uns noch ein Fondue im Swiss Chalet – Naja, es war ein Experiment und das ist dann mehr oder weniger gelungen. Fondue in Bolivien – kann man, aber muss man nicht versuchen, weil geschmacklich gewöhnungsbedürftig – für Schweizer Gaumen zumindest. Am Samichlaustag dann geht es weiter durch die Anden, Peru wartet!

18.11. – 28.11.2022 – Weisser Salzsee, Silberstadt und weisse Stadt Amerikas – Wir geniessen Boliviens Hochland

Dass Bolivien – wie alle Andenstaaten – reich an Bodenschätzen ist, sieht man den Bergen an: Sie schillern in den schönsten Regenbogenfarben und erfreuen unser Auge tagtäglich. Auch die ausgetrockneten Salare sind reich an seltenen Erden, was ihnen früher oder später zum Verhängnis werden wird. Vor allem Lithium ist da in rauen Mengen zu holen, auch in der grössten Salzpfanne der Welt – dem Salar de Uyuni. Der vor 10‘000 Jahren ausgetrocknete See „Tauca“ hinterliess auf einer Höhe von 3‘653 müM eine der eindrucksvollsten Landschaften des Altiplano. Auf einer Fläche von über 10‘000 km2 hat sich eine Sole angesammelt, die bis zu 120 m in die Tiefe reicht. Die Kruste ist – ausser in der Regenzeit – bis zu 30 Meter dick und kann problemlos sogar von LKWs befahren werden. Das machen wir denn auch mit unserem T-Mobil, das ja „nur“ an die 4 Tonnen wiegt. Aber vorher geht es noch zu einem anderen Kuriosum von Uyuni.

Nur ein kleiner Umweg führt zum grössten „Cementerio de Trenes“. Die Stadt am Rande der Salzwüste war während über 50 Jahren ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt der Ferrocarril de Antofagasta a Bolivia, welche per Bahn die in den Anden geförderten Edelmetalle an die Küste von Chile in die Hafenstadt Antofagasta brachte. Es wurde ein Eisenbahnbetriebswerk errichtet, das jedoch in den 1940er Jahren ein Opfer der zusammenbrechenden örtlichen Wirtschaft wurde. Alles hing ja von den Edelmetallminen ab, die irgendwann so weit ausgebeutet waren, dass sie nicht mehr rentabel betrieben werden konnten. Und so entstand der Eisenbahnfriedhof, von denen manche einiges älter als 100 Jahre sind. Die über 100 Loks und Wagen gleichen Skeletten aus Metall, denn nicht nur Klima und Korrosion machen ihnen zu schaffen, auch die Locals bedienen sich oft und gerne am Altmetall. Und dank des Tourismus gleicht der Ort eher einem Rummelplatz als einem Ort des ewigen Friedens. Ist aber trotzdem einen Besuch wert!

Danach geht es endlich in den Salar. Wir sind geblendet von der grellweissen Salzfläche, die sich vor uns erstreckt. Und wir staunen ob der meterhohen Säulenkakteen auf der Isla Incahuasi, die teilweise mehr als 1200 Jahre alt sein sollen. Wahnsinn! Auf der Isla del Pescado finden wir einen einsamen Übernachtungsplatz und wir geniessen die von keiner Lichtquelle gestörte Aussicht auf den Sternenhimmel und vor allem die „ohrenbetäubende“ Stille!

Am nächsten Tag treffen wir im Salzhotel am Rande des Salar einen Österreicher, der auf dem Motorrad schon seit Jahren die Welt erfährt. Und die französische Familie hat uns eingeholt! Nach einem unterhaltsamen Kaffeeklatsch fahren wir zurück zum Hotel Nida del Flamenco, wo wir das Auto vom Salz reinigen, uns eine Dusche und eine angenehme Nacht auf dem Parkplatz vor dem Haus gönnen, bevor wir weiterziehen.

Unser nächstes Ziel ist Potosi – die Silberminenstadt im Altiplano. Die Geschichte der Stadt reicht weit zurück bis zu den Inka, die den ungemeinen Silberschatz des Cerro Rico im grossen Stil abzubauen begannen. Als die Spanier kamen, wuchs die Stadt von Mitte des 16. Jahrhunderts bis ins frühe 17. Jahrhundert zu einer der grössten Stadt der Welt an. Noch heute sind deren Einwohner vom Silber- und Zinnvorkommen im Berg abhängig. Nebst einer schönen, von der Kirche dominierten und im spanischen Stil gehaltenen quadratischen Plaza, ist der spanische Kolonialstil im ganzen Stadtzentrum spür- und sichtbar. Vor allem die engen Gassen sind für Rolf und das T-Mobil knifflig. Wir stellen uns auf einen bewachten Parkplatz, auf dem wir auch in unserem Häuschen übernachten können. Am nächsten Morgen geht es dann in eine der Silberminen. Wir haben eine leichte Tour gebucht – in die engen Quer-Schächte reinkriechen ist nicht so unser Ding. Auch so erhalten wir einen guten Einblick in das harte Leben der Minenarbeiter. Mittlerweile arbeiten sie in selbstverwalteten Kooperationen und auch die Frauen helfen draussen mit, die „Spreu vom Weizen“ zu trennen – also wertloses Gestein von den Erzen. Nach dem Abenteuer reisen wir ab – Potosi hat nebst den Minen nicht viel zu bieten.

Durch die wundervolle Landschaft des Altiplano führt uns die Fahrt direkt nach Sucre, der konstitunionellen Hauptstadt Boliviens und Sitz des Obersten Gerichtshofs. Mit La Paz hat Bolivien zwei Hauptstädte, dort ist der Regierungssitz. Sucre hat den Beinamen „weisse Stadt Amerikas“ und sie wird dem gerecht mit den weiss getünchten Gebäuden im Stadtzentrum. Wir erleben ein paar entspannte Tage auf einem kleinen, aber feinen Campingplatz im Garten einer Familie. Die Nächte sind immer schön kühl auf dieser Höhe – wir bewegen uns immer zwischen 3000 und 4000 Höhenmetern. Und die Tage sind recht angenehm warm. So könnte man es aushalten, vor allem an so einem entspannten Ort, an dem ich mich auch mal wieder alleine zum Shopping traue. Ja, Sucre ist zweifelsohne eine der schönsten Städte, die wir in Südamerika besuchen!

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