Wir entscheiden uns für die Route, die uns an einigen Lagunen von Salzseen entlangführt. So wollen wir Bolivien und die Anden auf einer Höhe von 4‘000 bis 5‘000 Metern er-fahren. Das Wetter ist super – schon seit Tagen gibt es nur Sonnenschein! Und so fange ich mir denn auch den ersten Sonnenbrand auf diesem Kontinent ein – beim Warten, Warten und Warten an der Grenze von Chile (4 Stunden) nach Bolivien (3 Stunden). In dieser Höhe ist es trotz Sonne doch auch windig und kühl…und so spüre ich gar nicht, wie mein Gesicht sich während der langen Gespräche mit unseren Leidensgenossen in der Kolonne immer mehr „errötet“. Dieser Grenzübertritt ist wirklich der zeitintensivste und mühsamste unserer bisherigen Reise. Stunde um Stunde vergeht, bis die Chilenen erst den uns entgegenkommenden Verkehr abgewickelt haben. Das ist ihrer gründlichen Gepäckkontrolle geschuldet, welche die Insassen der drei(!!) Touristen-Kleinbusse über sich ergehen lassen müssen. Danach werden vor uns für die Ausreise 6 Wagen einer brasilianischen Abenteuer-Reisegruppe abgefertigt. Bruna, deren Reiseleiterin, ist sehr hilfreich – sie übersetzt uns ins Englische, was gerade läuft – oder eben nicht läuft. Bei der Einreise nach Bolivien könnte es zügiger gehen…wenn nicht der Beamte einige Daten falsch aufnehmen würde und dann kaum mehr weiter weiss, um diese wieder zu löschen. Hier stösst dann auch eine französische Familie mit drei Töchtern (ca. 9 – 16 Jahre alt) mit Defender samt Popup-Kabine zu uns. Wie die fünf Personen da reinpassen, ist für uns bis heute eine logistische Meisterleistung! Und wir werden immer wieder mal ein paar Kilometer gemeinsam reisen, wie sich später rausstellt. Zunächst aber geht es endlich der sinkenden Abendsonne entgegen zum ersten Stellplatz bei den Termas de Polque. Unterwegs helfen wir noch einem im Sand gestrandeten jungen Mann. Er war wie ein Verrückter mit viel zu hoher Geschwindigkeit zuvor an uns vorbei gerast auf der unbefestigten Piste. Und wir haben den leisen Verdacht, dass er mit diesem Manöver unsere Autos „ausspionieren“ will, ob es sich lohnt, sie zu klauen. Die Gegend hier ist berüchtigt für das Verschieben von gestohlenen Autos. Unsere Hilfestellung bleibt aber folgenlos, ausser, dass wir zum ersten Mal in die Nacht reinfahren und Rolf endlich mal die Zusatzscheinwerfer nutzen kann. Und letztlich geniessen wir eine ziemlich ruhige Nacht bei den Thermen. Die nächsten Tage locken mit vielen kleinen Lagungen, die allesamt von Flamingos und anderen Vögeln belebt sind. Am Rand sieht man manchmal kleine Fabriken – ob zur Salz- oder Lithiumgewinnung, können wir nicht ausmachen. Auf jeden Fall ist die zweitägige Fahrt auf der recht guten Piste das reinste Vergnügen für Rolf – anspruchsvoll, aber nicht zu sehr und eine Landschaft, die einfach überwältigend ist. Wir nehmen am zweiten Tag nämlich eine Strasse, die eigentlich privat und für Lastwagentransporte gedacht ist. Aber wir dürfen, laut Betreiber. Und wir machen einige Kilometer mit Noemi, Baptiste und ihren Töchtern, bevor sich unsere Wege erstmal trennen. Am ersten Tag erklimmen wir die 5‘000 müM-Marke! Mein Schädel brummt etwas, trotz Coca-Tee. Aber es geht gut mit der Höhe und nach wenigen Tagen geht auch das Kopfweh ganz weg. Auf jeden Fall ist die Reise in den Anden ein unvergesslich schönes Erlebnis und eigentlich sind wir viel zu schnell schon wieder auf dem Weg in die nächste Stadt:Uyuni ist unser Tor zur grössten Salzpfanne der Erde!
Autor: Yvette Anhorn Seite 3 von 16
Bevor wir auf die Panoramastrasse entlang der Küste kommen, fahren wir vorbei an Los Angeles (fast zeitgleich gegründet wie die grosse Namensschwester in Kalifornien, aber weitaus weniger spektakulär) zu den Wasserfällen des Rio Laja, wo wir einen zauberhaften Campingplatz finden, fast für uns allein. Faszinieren an Chile sind auch die immer neuen Ausblicke: Auenlandschaften, Rapsfelder, Reben, Windparks und jetzt im Frühling natürlich Blumenwiesen!
Dann geht es nach Pelluhue an die Küste, was im eher schmalen, langgezogenen Chile keine Frage von langen Strecken ist. Weil offene und vor allem gute Campingplätze noch immer rar sind (ist ja noch nicht richtig Saison), übernachten wir auf einem Parkplatz direkt am Meer. Und nach einer ungestörten Nacht geniessen wir die Panoramastrasse entlang des Pazifik. Santiago de Chile lassen wir links liegen, finden aber in Tongoy einen hübschen Platz zu etwas überteuertem Preis. Aber – der Strand ist schön und am nächsten Morgen holen wir uns noch einen fangfrischen Fisch. Wir wollen wieder etwas ins Landesinnere nach Vicuna, einem Städtchen, das für seine Sternguckerei berühmt ist. Leider spielt das Wetter nicht mit – es bleibt bewölkt. Und so fahren wir, nach einem feinen Kaffee und einer kurzen Kirchenbesichtigung unverrichteter Dinge zurück an die Küste und weiter in die Atacama rein. Diese Wüste erstreckt sich vom Meer bis zu den Anden und ist der «trockenste nicht-polare Ort der Welt». Und genau darin bewegen wir uns, bis wir Chile verlassen werden.
Immer öfter überfällt uns ein Namibien-Feeling – Meer, Wüste und Felsen beherrschen nun das Bild und tatsächlich stossen wir auf einen «steinernen Zoo». Nun ja, mit viel Fantasie kann man Tiere in den von der Erosion ausgewaschenen Felsformationen erkennen. Und vor allem auch viel Abfall, der braucht aber keine Fantasie. Was sich die Leute nur denken? Schliesslich stehen Eimer bereit! Schöner ist es, das Blumenmeer zu betrachten, das sich über Kilometer erstreckt und das, trotz der Trockenheit hier, eine erstaunliche Vielfalt an Pflanzen und deren Nutzniessern zeigt. Unser Ziel ist «Pan de Azucar» – Zuckerhut – ein Gebiet, das seinen Namen von einem hutähnlichen Hügel hat, wie der berühmte grosse Vetter bei Rio de Janeiro. Unterwegs höre ich plötzlich Sirenen: Tsunamialarm! Auch auf meinem Handy…Es ist dann doch nur eine Übung und wir haben als Einzige wirklich darauf reagiert! Die Herren Evakuations-Beobachter freut’s! In der Bucht finden wir einen schönen, ruhigen Platz zum Übernachten.
Am nächsten Tag dann geht die Reise weiter. In Taltal halten wir kurz an für einen Kaffee und besichtigen die putzige kleine Kirche. Unkompliziert und völlig ungerührt wird hier die Kirchenbank kurzerhand zum schattigen Picknickplatz umfunktioniert. Die vielen Madonnen stört es nicht. Danach geht es über eine Anhöhe rauf zum ESO, Europas Südobservatorium. Leider bleiben dessen Tore für uns geschlossen. Am Abend treffen wir dann im Hotel, wohin wir für eine Nacht mangels sicherem Stellplatz in Antofagasta ausweichen, auf eine ehemalige deutsche Mitarbeiterin des ESO. Zufälle gibt’s. Am nächsten Morgen geht es weg vom Meer in echt grosse Höhen. Unterwegs sehen wir auch die riesige Kupfermine bei Calama, einer Stadt, die von den Minenarbeitern lebt. Und dann geht es über einen Pass in das trockene Hochland der Anden.
Am nächsten Morgen geht es weg vom Meer in echt grosse Höhen. San Pedro de Atacama wird unsere letzte Station in Chile, wo wir uns während einiger Tage akklimatisieren. Hier auf etwas mehr als 3’000 müM gewöhnen wir uns an den Cocablätter-Tee, die Höhe und die Atemnot, die einen bei jeder auch noch so kleinen Anstrengung plagt. Und hier machen wir erste Bekanntschaft mit den Salzseen und ihren Bewohnern. Und auch hier entdecken wir zum ersten Mal die Regenbogenfarben der Anden. Umwerfend schön! Unsere Ausflüge in die Umgebung führen uns zu Petroglyphen, ins Rainbowvalley und zu den Salzseen, denen wir hier zum ersten mal in ihrer ganzen Pracht begegnen. Und sie sind tatsächlich erfüllt von Leben und bieten erstaunlich vielen Tieren Nahrungsgrundlagen. Einmal mehr stellen wir fest: Wüste heisst nicht unbedingt Leblosigkeit!
Von Puerto Montt fahren wir Richtung Valdivia, ein Reisetipp von Valentina und Florian, unseren Bekannten aus Vorarlberg. Erste Station ist aber Frutillar in der Seenregion Chiles. Sie liegt am Llanquihue-See, mit Aussicht auf die Vulkane Osorno und Calbuco. Gegründet wurde dieser Ort von deutschen Einwanderern und benannt nach der chilenischen Erdbeere, der «Frutilla», die in dieser Umgebung wild gedeiht. Das deutsche Erbe ist denn auch allgegenwärtig. Ein ruhiger, beschaulicher Ort.
Doch mich zieht es erst mal wieder ans Meer und ich habe eine schöne Route ausgemacht, die uns an die Küste bringt. Da es eine Nebenstrasse ist, fahren wir etwas vorsichtig und langsam und durch einige Baustellen. Doch der Campingplatz liegt einmalig schön.
Ganz nah davon nehmen wir mal wieder eine Fähre, die uns nach Niebla übersetzt. Nun trennen uns nur noch wenige und vor allem einfach zu fahrende Kilometer von Valdivia, dem Hauptort der Region Los Rios, wo eben auch einige Flüsse (Calle-Calle, Cau-Cau und Cruces) zusammenkommen. Valdivia erlangte Berühmtheit durch das stärkste Erdbeben der Menschheitsgeschichte, das mit einer Stärke von 9.5 auf der Richterskala nicht nur die Stadt, sondern ganz Südchile 1960 erschütterte. Ausserdem ist Valdivia eine Universitätsstadt, aber vor allem ist Valdivia eine richtige Sommerstadt! Wie geniessen ein paar Tage im Sonnenschein und an der Promenade, wo immer was läuft.
Dann geht es weiter nach Pucon, an den Villarrica-See und den warmen schwarzen Sandstrand. Das sehr touristische Dorf ist im Frühlingserwachen begriffen und während sich schon die ersten Badegäste am Strand sonnen, zieht es andere noch zum Skigebiet des Vulkans Villarrica. Wir geniessen zwei ruhige Nächte auf dem Parkplatz eines Hostals, das vor allem durch den bezaubernden Garten überzeugt, der so richtig erblüht.
Die Carretera Austral ist noch nicht ganz fertig ausgebaut, jedoch wurden von 1976 bis 2014 rund 1’240 Kilometer davon fertiggestellt. Die wichtige Hauptverkehrsader verbindet die Region Aysen und das chilenische Patagonien mit dem restlichen Chile. Davor war dieses Gebiet nur mit Booten oder per Flugzeug erreichbar. Auf unserer Reise erkennen wir auch, weshalb es schwierig ist, diesen Landstrich mit guten Strassen auszustatten: Die Berglandschaft ist ständig in Bewegung, Erosion und Erschütterungen schieben immer wieder neu Geröll auf die Fahrbahnen und es ist nicht einfach, das Geschiebe im Zaum zu halten. Auch deshalb fahren wir öfter mal durch Baustellen. Doch die Landschaft ist es wirklich wert: Gebirge und Vulkane, noch von Schnee bedeckt und manchenorts aus Fumarolen rauchend, überragen grüne, fruchtbare Ebenen und Nebelwälder mit gigantischen Farnen und dem Mammutblatt, einer Pflanze, die einem Riesenrhabarber ähnlich sieht und deren junge Stiele hierzulande tatsächlich geerntet und gegessen werden. Natürlich geht es nicht ganz ohne Schiffahrt ab. Wir entscheiden uns für den Weg via Hornopiren: Zwei Fähren und eine kleine Inselquerung weiter sind wir wieder auf Festland. Und bei Puerto Montt endet die Ruta 7, eine der schönsten Routen des Kontinents – die Carretera Austral.