Island ist unbedingt eine Reise wert! Und es lohnt sich, mehr als ein paar Tage in die Erkundung der Insel zu investieren. Mindestens 2 Wochen sollten es sein, will man nicht in Stress geraten, um alles Sehenswerte zu besuchen.

Die beste Jahreszeit? Im Winter wird das Fahren abenteuerlich, weil dann auch die am besten gepflegte Verkehrsverbindung, die Ringstrasse, nicht immer durchgängig befahrbar ist. Und sehr viele Strassen in den Fjorden im Westen, Norden und Osten sind dann ganz geschlossen. Gerade dort aber warten einige richtig schöne Orte. Wir waren 4 Wochen mit dem Camper unterwegs im Mai und hatten enormes Wetterglück, kaum Niederschlag, nur permanent Wind und Temperaturen von 4-10 Grad tagsüber. Auch dass viele Campingplätze schon zumindest teilweise geöffnet waren, war ein Segen für uns, weil auf Island wildes Camping verboten ist. Ab Mai sind auch die meisten bekannten Sehenswürdigkeiten erreichbar, vielleicht muss man mal auf den einen oder anderen Wasserfall verzichten, zum Beispiel wegen Schneeschmelze und Hochwasser oder Sturmböen.

Allerdings bietet die Vegetation noch nicht so viele Farbtupfer wie ab Mitte Juni. Wer das haben möchte, kommt besser erst ab Juni/Juli. Dann teilt man sich die Insel aber wieder mit ganz vielen Touristen. Wir sind enorm stressfrei gereist, waren kilometerlang die Einzigen auf der Strasse und manchmal sogar die Einzigen auf den Campingplätzen. Und so standen wir auch nicht anderen Reisenden auf den Füssen rum an den Tourismus-Hotspots. Ab September wird es wieder ähnlich ruhig wie im Frühling, nur kommen dann auch wieder die wetterbedingten Einschränkungen hinzu.

Landschaftlich ist Island eine unübertroffene Kette von Offenbarungen. Gerade für Mitteleuropäer wie uns ist es nur vor Ort nachzuvollziehen, was es heisst, wenn sich gerade mal 3,5 Einwohnerinnen und Einwohner einen Quadratkilometer teilen. Und das ist nur Statistik, denn 60 Prozent von etwa 360’000 Menschen sammeln sich rund um Reykjavik, der Rest verteilt sich hauptsächlich auf den Süden und Westen und fast menschenleer wird es im Norden und Osten. Entsprechend weniger gut gepflegt sind dann auch die Strassen.

Also auf den Punkt gebracht: Island ist enorm viel Natur für ganz wenig Menschen! In Europa eher rar und deshalb so kostbar und erlebenswert! Und nun geht es zu den detaillierteren und sehr persönlichen Eindrücken…

Isländische Lebensart

Ich muss gestehen, wir haben nicht so viele Isländer kennen gelernt. Aber diejenigen, die wir trafen, ob im Restaurant oder beim Einkaufen und auf den Campingplätzen, waren zwar eher etwas verschlossen, doch bei Fragen reagierten sie immer ausgesprochen freundlich. Man sagt ihnen nach, dass sie von der Lebenseinstellung her die Südländer des Nordens seien. Heisst: Isländer nehmen das Leben von der ruhigen Seite. Eine «Nur kein Stress, kommt schon gut»-Haltung können wir aufgrund unserer nicht-repräsentativen Wahrnehmung bestätigen. Vielleicht bekommt der Zeitbegriff eine andere Bedeutung, wenn du entweder in ständiger Nacht oder permanentem Tag lebst. Irgendwie erinnerten mich die wenigen Isländerinnen und Isländer auch an uns selbst – Schweizer wirken ja auch eher abwartend-verschlossen als offenarmig-zugänglich auf den ersten Blick. Aber wie gesagt – unser Eindruck ist wirklich nicht abschliessend und sehr, sehr einseitig, basierend auf wenigen Begegnungen. Merke: Um Isländer und Isländerinnen zu verstehen, bräuchte es wesentlich mehr Zeit an einem Ort. Wie mir ein Franzose, der seit ein paar Jahren hier lebt, bestätigt hat. Ist ein wenig wie mit Leuten vom Land in der Schweiz. Schwierig, richtig an sie ranzukommen, aber wenn sie dich akzeptieren, hast du Freunde fürs Leben.

Island im Frühling

Zugegeben, die Insel zeigt sich im Mai noch eher von der farblich-eintönigen Seite. Und doch hat sie mich von Beginn weg in Bann gezogen. Diese weichen Hügel, die sich abwechselten mit schroffen Felswänden, das zarte Grün im Süden, das auf die winterlich-verschneiten Pässe im Osten folgte, die zaghaft mit rauen Grasbüscheln bewachsenen Lavahügel, bucklig und nur schwer zu bewirtschaften, die anthrazitfarbenen, von Wind und Regen abgeschliffenen Basaltfelder und die atemberaubenden Sandstrände, mal tiefschwarzglitzernd, mal schneeweisskaribisch anmutend…Wer sich für Geologie und Erdgeschichte begeistert, kommt aus dem Ah und Oh nicht mehr raus. Auch wenn die Vegetation spärlich war, uns hat es immer wieder überrascht, wie sich uns die Insel in immer neuem Gewand präsentierte. Und nach einem Monat konnten wir erahnen, welche Farbexplosion dank der vielen wildwachsenden Lupinen und Heidesträucher auf die Inselbesucher und -bewohner in den Sommermonaten wartet. Merke: Island ist eine spezielle, einzigartige Schönheit, die sich zu jeder Jahreszeit in betörende Gewänder kleidet.

Strassen, Pisten und Wege

Ein Muss – 4×4! Ohne wird es auch auf manchen für den Verkehr geöffneten Strassen ruppig. Und weil in Island das Wetter öfter mal launisch ist, kann aus einer gut präparierten Piste plötzlich eine rutschige, holprige Angelegenheit werden. Nicht alle Teile der Ringstrasse, die quasi die Hauptverkehrsader ist, sind asphaltiert. An vielen Stellen wird gebaut oder ausgebessert. Die Beschilderung ist super! Wenn man sie ernst nimmt und auch drauf achtet. Und wer gern mal etwas abseits unterwegs ist in diesem Offroad-Paradies, um die wilde Schönheit der Insel zu er-fahren, ist ohne einen Allradantrieb ziemlich aufgeschmissen, denn manche Strasse, die Anfangs toll aussieht, verwandelt sich mal in eine mehr oder weniger gut gepflegte Piste. Wir wurden auch überrascht von Schlaglöchern, Waschbrett- oder Schotterpisten. Wer zum Beispiel die Halbinsel Langanes besuchen möchte, muss für die wenigen Kilometer sehr viel Zeit einrechnen, weil sich die Durchschnittsgeschwindigkeit auf etwa 10-20 Km/h reduziert durch die sehr ungepflegte Zufahrt. Offiziell öffnen die Hochlandgebiete ihre Zufahrten ab Juni, doch je nach Wetter kann es auch mal früher oder später werden. Am besten bedient sind Reisende mit der Seite www.road.is. Da werden die aktuellen Strassenzustände bekannt gegeben. Und auch wer zu Fuss unterwegs ist, denen sei gutes Schuhwerk, das Halt gibt und vor Nässe schützt, empfohlen! Stöcke zur Sicherheit besser auch mitnehmen. Manche harmlos beginnende Wanderung führt plötzlich durch anspruchsvolles Gelände, auch wenn am Ende eine Sehenswürdigkeit lockt und die Wege gepflegt werden. Doch das Wetter und das viele Eis und Wasser machen oft die besten Absichten zunichte. Merke: Im Zweifelsfall lieber zu gut ausgerüstet und overdressed. Gilt für Fussgänger und für Fahrzeuge gleichermassen.

Elfen und Trolle

In Island wird alter Glaube lebendig. Auch wenn die Staatskirche evangelisch-lutherisch ist, so will man es sich mit nicht sichtbaren Mitbewohnern der Insel doch nicht verscherzen. Immerhin glauben an die 60 Prozent der Isländerinnen und Isländer an die Existenz von Elfen, Feen, Gnomen und Trollen (Hvitsekur – einer von vielen versteinerten Trollen). Es gibt auch eine staatlich anerkannte neuheidnische Religion, die im Asatruarfelagid organisiert ist und offiziell Trauungen und andere rechtsverbindliche Zeremonien durchführen darf. Auch eine Elfenschule kann man besuchen. Und weil man sich gut stellen will mit den Unsichtbaren, baut man auch mal Strassenumfahrungen, um die Naturgeister nicht zu verärgern. Oder man erstellt im Garten ein sogenanntes Elfenhaus als Ersatz dafür, dass ihre ursprüngliche Behausung einem Menschenbau weichen musste. Merke: Man muss nicht zwingend an Naturgeister glauben, um Island zu verstehen. Aber es kann helfen, zumindest die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es – wie schon Goethe feststellte – mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als der menschliche Geist zu fassen vermag. Und die Elfenhäuser und versteinerten Trolle und die unglaubliche Landschaft verströmen auf jeden Fall einen ganz eigenen Zauber.

Kulinarisches

Die eher hohen Preise in den Restaurants liessen uns selten auswärts essen. Und wenn, dann gab es einfache Speisen, nichts typisch Einheimisches. Dafür genoss ich einen Cheeseburger der speziellen Art, bei dem geschmolzener Cheddar über den Burger mitsamt Brötchen gegossen wurde. Trotz des Stolzes des Erfinders – Ich fand es nicht wirklich gut. Rolf hat eine isländische Suppe genossen, die wir von daheim auch kennen als Gemüsesuppe mit Fleischeinlage. War sehr lecker. Und Fisch geht immer, Lachs zum Beispiel. Getrockneten Fisch haben wir auch mal versucht…ist Geschmackssache. Aber was uns überzeugte, war das Rugbraud – ein sehr kompaktes Roggenbrot, süsslich und fein gewürzt. Passt gut zu Lachs und anderem Salzigen! Und Süss ist das Stichwort – Isländer lieben es süss und deftig und es gibt viel Gebäck, das einem zu neuen Zähnen verhilft vor lauter Zucker und wenn es noch in Fett ausgebacken wurde, ersetzt es mindestens eine, wenn nicht zwei Mahlzeiten! Aber…leeecker, wenn man so wie wir süssen Versuchungen leidenschaftlich gerne erliegt. Übrigens kaum zu fassen: Noch immer werden – trotz Verbot – Papageientaucher als Delikatesse in manchen Restaurants Islands aufgetischt. Auch Walfleisch wird teilweise noch angeboten. Merke: Wenn du isländische Hausmannskost versuchen willst, schau genau hin, was du auf den Teller kriegst. Erstens wäre es zu teuer für Foodwaste und zweitens gibt es einfach «Delikatessen» auf die man verzichten sollte, sei es aus geschmacklichen oder ethischen Gründen.

Einkaufen/Tanken

Wer so gerne abseits der Hauptstrasse unterwegs ist wie wir, sollte unbedingt Einkauf und Tanken (WICHTIG: Es gibt in ganz Island keine einzige LPG-Tankstelle!) vorausschauend planen. Während der südliche Teil recht gut erschlossen ist und es öfter Tankstellen, teilweise auch mit Einkaufsmöglichkeit, gibt, wird das in den Westfjorden und im Norden zunehmend schwieriger. Diese Landesteile sind spärlicher besiedelt und manches «Dorf» auf der Landkarte entpuppt sich als Ansammlung von wenigen Häusern oder ist manchmal auch nur ein einzelner Bauernhof. Ansonsten geben die kleinen und grossen Supermärkte und Kramläden alles her, was das Herz begehrt. Es lohnt sich gerade bei Gemüse und Beeren darauf zu achten, dass man isländische Produkte wählt. Langsam werden immer öfter Gewächshäuser in Betrieb genommen, die mit Geothermie günstig beheizt werden können. So können z.B. Tomaten gut gedeihen. Island muss sehr viel importieren, was sich auf die Preise niederschlägt. Was Island selbst genügend hergibt ist alles vom Schaf. Gerade Bekleidung aus einheimischer Wolle ist überall zu finden, ob industriell verarbeitet oder von strickenden Händen liebevoll selbst gemacht. Merke: Island hat es nicht einfach, die gesteigerten Bedürfnisse nach Abwechslung auf dem Speiseplan zu befriedigen. Mit dem Kauf von regional erzeugten Produkten wird die lokale Landwirtschaft gefördert. Und es lohnt sich, in die zahlreichen kleinen Läden der örtlichen Handwerkskünstlerinnen und -künstler reinzuschauen. Neben viel Kitsch gibt es auch wirkliche Trouvaillen zu kaufen und die Leute erfahren so Wertschätzung für ihre Arbeit.

Campingplätze, das Gute

Es gibt in Island viele Plätze, wo du denkst:» WOW – was für eine Lage, was für eine Aussicht!» Egal, ob der Platz am Fuss einer Gletscherzunge ist, ob direkt am feinen Sandstrand in einem kleinen Fjord oder in direkter Nachbarschaft zu 3 beeindruckenden Wasserfällen – Es ist schlicht nicht von dieser Welt, was diese speziellen Plätze in nächster Nähe an Natur und Erlebnis zu bieten haben! Daher ist es auch nicht weiter störend, dass in Island das Campieren streng reguliert und wildes Camping eigentlich verboten ist. Zumindest Anfang und Mitte Mai sind die (offenen) Plätze auch noch nicht überlaufen (Hauptsaison startet im Juni) und gerade in den Westfjorden finden sich manchmal kleine Juwelen. Hierher verirren sich ausserhalb der Hauptsaison nur wenig Touristen. Und dann hast du das ganze Naturpaket für dich allein. Es lohnt sich auch, die Plätze in der Nebensaison anzufahren. Sie werden dann nicht voll bewirtschaftet, aber es ist oft dennoch möglich, dort zu campen. Man sollte dafür allerdings autark sein mit Strom und Toilette. Merke: Eine 10-Tage-Rundreise wird Island niemals gerecht. Für das echte Erlebnis braucht es Zeit und Entdeckerlust und ein Campingvehikel, das einen gewissen Komfort und gleichzeitig genug Bewegungsfreiheit (4×4) bietet. Noch ein Wort zur IcelandCampingCard: Die kriegt man für 159.—Euro und kann damit auf speziell ausgewiesenen Plätzen bis 28 Übernachtungen geniessen. Allerdings kommen je nach Platz noch kleine Extras hinzu. Für eine Kurzreise lohnt es sich kaum, denn die Plätze sind strategisch nicht unbedingt gut über die Insel verteilt. Also vor dem Kauf unbedingt die Route mit den CampingCardPlätzen abgleichen und schauen, ob sich die Investition lohnt.

Campingplätze, das weniger Gute

Eins vorweg – Ja, wir sind das Campen gewohnt von unseren Ferienreisen im Süden, in der Schweiz, in Deutschland oder Österreich und haben die isländischen Plätze damit verglichen. Ebenfalls Ja – Island ist ein teures Pflaster, was wir schon durch die Reisevorbereitung wussten. Und Nein – wir brauchen keinen Luxus auf einem Platz. Trotzdem haben wir uns gedacht, dass man für Preise zwischen 25 und 35 Franken pro Nacht auch eine eher anständige Ausstattung erwarten kann. Hier mussten wir unsere Erwartungen jedoch drastisch runterschrauben. Ganz klar, die Betreiber (oft die Kommunen) und die Angestellten sind hier meist sehr nett und freundlich! Nur, davon hast du leider nichts, wenn du Wasser tanken willst und es dafür keinen Anschluss und/oder Schlauch gibt. (Natürlich haben wir selbst einen dabei, können uns also behelfen mit Wasser aus dem Spülbecken.) Oder wenn das Toilettenpapier nicht aufgefüllt, die Toilette nicht regelmässig gereinigt wird. Oder in der Dusche die Brausestange kaputt, der Vorhang nicht vorhanden oder nicht geheizt ist. Oder wenn Aufenthaltsraum und Küche verdreckt sind. Oder das angepriesene WIFI nicht funktioniert. Und erwarte nicht, dass was gemacht wird, wenn du auf Unzulänglichkeiten hinweist, denn hier kommt die isländische Gemütsruhe ins Spiel und es geht – nichts. Es wäre alles halb so tragisch und mit viel mehr Gelassenheit und Humor zu ertragen, wenn für diesen unterirdischen Service nicht so hohe Preise verlangt würden! Und die teureren Plätze sind nicht, wie man denken könnte, besser. Wir haben insgesamt vier Plätze angetroffen, bei denen wir sagen können, dass das Preis-/Leistungs-Verhältnis stimmt: Skaftafell (Nähe DiamondBeach, grosszügige, neue Anlage), Grindavik (Nähe Fagradalsfiall, klein, fein, ziemlich gepflegt), Camping 66.12 North (Nähe Husavik, sehr gepflegt, gemütlich und äusserst nette Betreiber) und Asbrandsstadir (Ebenfalls sehr gepflegt, heimelig und sehr aufmerksame Betreiber). Merke: Wähle deinen Platz in Island nicht nach dem Preis, sondern halte dich an die Google-Rezensionen und erwarte grundsätzlich nicht denselben Standard wie in klassischen europäischen Urlaubsländern. Im Übrigen stell dir einfach vor, dass du für die phantastische Lage und das Naturerlebnis bezahlst und nicht für den Service!

Mitternachtssonne und weisse Nächte

Der Spruch «Ich mach noch schnell draussen was fertig, bevor es dunkel wird» mutiert hier im hohen Norden schon ab Anfang Mai zu einem Witz. Die Begriffe «Nacht» und «Dunkelheit» müssen neu definiert und ganz sicher nicht im Zusammenhang mit «Draussen» genannt werden. Doch ja, die Sonne geht schon noch unter, aber eigentlich ist es nur ein kurzes Goodbye für die Zeit von etwa Mitternacht bis zum ganz frühen Morgen um 4 h. Während dieser paar Stunden bleibt die helle Dämmerung und man könnte locker Nachtwanderungen unternehmen. Aber was das Partyvolk freut, geht den Schlafsuchenden auf den Wecker…fast wörtlich…denn die biologische Uhr weckt mich pünktlich um 4, egal, wann ich es geschafft habe, trotz der Helligkeit einzuschlafen. Und da unser T-Mobil eine Art Zeltaufbau hat, können wir nie so richtig verdunkeln…Also – Her mit Schlafmasken! Naja – auch an die kann man sich gewöhnen…wie an die Ohrstöpsel…denn auch die Piepsmätze finden keinen Schlaf, sondern trillern und zwitschern fröhlich zu jeder Stunde vor sich hin. Merke: Im Norden kein Camping ohne Schlafmaske und Ohrstöpsel!

 Gletscher, Jökull genannt

Sie bedecken grosse Flächen der 103’000 km2 grossen Insel. Allein der Vatnajökull nimmt mit seinen 8’300 km2 beeindruckend viel Raum ein. Und er streckt seine Zungen in jede erdenkliche, von Vulkanen geschaffene Spalte, manchmal bis kurz vor den Meeresstrand. Wie an der Diamond Beach, wo schwarzer Sand auf tanzende Eisblöcke trifft, die der Breidamerkurjökull (Kind des Vatnajökull) direkt in den kleinen Gletschersee auf Meereshöhe kalbt. Wenn die Gezeiten dann die Wassermassen in Bewegung bringen, knistert und knirscht es beim lustigen, imposanten Treiben des Eises auf dem strudelnden Wasser. Ohne Guide sollte man sich nicht im Kajak in diese riesige Waschtrommel wagen. Das können sich nur die neugierig-verspielten Robben gefahrlos trauen, die aus sicherer Entfernung mit ihren grossen runden schwarzen Augen die verblüfft staunenden Menschen beobachten. A propos Gletscher: Der Ausbruch eines selbigen, unter dessen Oberfläche heisse Lava hochkochte, hat im Jahr 2010 den ganzen europäischen Flugverkehr für Wochen lahmgelegt – es war der für sich stehende Eyafiallajökull, der sich nun wieder unter eine Eis- und Schneedecke zum Schlafen gelegt hat. Merke: Islands Vulkane und Gletscher sind manchmal ein und dasselbe. Nur dass die Gletscher etwas leichter berechenbar sind. Und sie machen den Klimawandel deutlich sichtbar, weil sie kontinuierlich massiv abschmelzen. Die Vulkane hingegen halten sich an keine Berechenbarkeit, sie brechen mal aus oder schlafen weiter. Und ein Tipp für Bingewatching: Auf Netflix läuft die Serie «Katla» – Vulkanausbruch in Island ganz mystisch…

 Vulkan aktiv

Fagradalsfjall: So heisst der momentan aktive (Schild-)Vulkan. Wegen ihm ist ein wahrer Island-Reiseboom ausgebrochen und so ist die Hauptreisesaison schon etwas früher als üblich losgegangen. Wir haben unser Ziel nicht nur, aber auch deswegen ausgewählt. So einen aktiven Vulkan aus der Nähe zu erleben, das hat schon was. Wie oben erwähnt, hat ja schon mal ein isländischer Vulkan Furore gemacht kürzlich und ganz Europa in Atem gehalten vor rund 10 Jahren, der Eyafiallajökull an der Südostküste. Der jetzt aktive Vulkan wird noch für längere Zeit Lava spucken und gefährdet zunehmend wichtige Infrastrukturen (Kann man auf Youtube täglich mitverfolgen). Doch die Isländer nehmen es – wie eigentlich alles – sehr gelassen und schauen mal, wie sie das Schlimmste abwenden können. Fürs Erste wurde ein Wall gebaut, der den Lavastrom umleiten sollte, doch der liess sich nicht beirren und floss einfach drüber weg. Dem Meer entgegen, der Schwerkraft folgend, sucht sich die heisse Masse ihren eigenen Weg. Übrigens – 4 Wochen nach unserem Besuch des Vulkans ist unser damaliger Aussichtspunkt von der zähfliessenden Lava eingeschlossen worden und das von uns damals durchquerte Tal füllt sich täglich mehr mit der heissen Lava. Merke: Vulkane sind schaurig-schöne Naturereignisse und deren Ergüsse in Form von Lavaströmen lassen sich kaum von etwas aufhalten, was von Menschenhand gebaut wird. Und wer wie wir einem aktiven Vulkan so nah gekommen ist, seinen heissen Atem im Gesicht spürte, ahnt einmal mehr, wie klein und unwichtig im Grunde wir Menschlein sind. Wir täten echt gut daran, dem öfter mal Rechnung und der Umwelt besser Sorge zu tragen. Denn die kommt ohne uns bestens zurecht, umgekehrt wird’s schwierig.

Geysire, Sulfatfelder und Geothermie

Wo Vulkane sind, gibt es noch andere spannende und heisse Phänomene. Island ist ja erdgeschichtlich gesehen eher jung, nämlich nicht mal ganz 20 Millionen Jahre alt. Damals sorgten Vulkanaktivitäten im Atlantik dafür, dass die Erdkruste durchbrach und so Island an die Oberfläche kam. Und weil Island auf der Nordamerikanischen und der Eurasischen Platte liegt und die sich voneinander wegbewegen, ist hier Erdgeschichte buchstäblich erlebbar. Besonders eindrücklich sind die Aktivitäten an der Oberfläche wie kleine und grosse Geysire, zum Beispiel der regelmässig in die Höhe schiessende Strokkar und seine Nachbarn im «golden Circle», die dampfenden Quellen bei Reykholar oder die Sulfatfelder beim Myvatn mit ihren beängstingend blubbernden, stinkenden Schlammtöpfen. Und natürlich wird die Erdwärme auch genutzt für die Energiegewinnung. Auf unserer Reise ist uns irgendwann aufgefallen, dass die Häuser keine Kamine haben…wieso auch, wenn die Energie fürs Heizen aus heissem Wasser tief unter der Erde oder aus kaltem Wasser von Stauseen gewonnen wird. Heisses Wasser wird oft auch ganz direkt genossen– in sogenannten HotPots oder Thermalbädern, wo es allerdings runtergekühlt werden muss. Sehr fragwürdig jedoch ist das Geschäft mit der Billigenergie durch die Verhüttung von in Australien gewonnenem Aluminium. Merke: Island ist ein erdgeschichtliches Baby und öffnet seinen Besuchern auf dramatische Weise die Augen für die Zerbrechlichkeit der Erdkruste, auf der wir leben. Und der Ausdruck «Tanz auf dem Vulkan» bekommt hier eine ungeahnt reale Dimension.

Wetter und Bekleidung

Grundsätzlich gehört Island zu den Gegenden, in denen du wettertechnisch tatsächlich an einem Tag alle vier Jahreszeiten erleben kannst. Auch wir hatten dieses Vergnügen – innert weniger Stunden hat es geschneit, geregnet, war windig, bewölkt und dann schien wieder die Sonne. Einzige Konstante: Die tiefen Temperaturen. Kleine Anekdote: In einem der vielen Swimmingpools mit Hot Pot (gespiesen von Islands heissen Quellen) hat uns ein Isländer erzählt, dass Freunde von ihm in der Schweiz Urlaub gemacht hätten. Es sei ihnen aber im Unterland viel zu warm gewesen, sodass sie in die Berge geflüchtet und dort mit kühleren Temperaturen besser bedient gewesen seien. Daher ist es nur folgerichtig, dass in Islands Restaurants stets eine Türe oder ein Fenster offensteht, sobald ein Sonnenstrahl auf das Gebäude fällt! Sie sind sich Wärme einfach nicht gewohnt und laufen schon bei 10 Grad im Schatten in T-Shirts und kurzen Hosen rum. Derweil schlottern wir schon nach 5 Minuten ohne Bewegung, vor allem, wenn noch der allgegenwärtige Windchill dazu kommt. Merke: Island ist DAS Land für Schichtenlook! Zum Drüberziehen kannst du in Island nie genug dabeihaben! Daunen-, Fleece und Softshelljacke in Kombi mit einem Regenschutz sind ein Muss. Und macht der Wind mal Pause und es scheint gerade die Sonne, entblätterst du dich einfach Schicht für Schicht.

Wetterunterkategorie Wind: Seit wir Anfang Mai von der Fähre an Land gegangen sind, hat uns eine treue Seele stets begleitet – der Wind. Er kam schon von Dänemark mit an Bord der Norröna, blieb bei uns auch während des Zwischenstopps auf den Färöern und folgte uns bis zum Schluss auf Schritt und Tritt. Mal pfiff er uns eiskalt um die Ohren, mal blies er uns unwirsch-böig ins Gesicht, selten nur säuselte er gepflegt daher. Es schien ihm Spass zu machen, uns das Wasser in die Augen, die Tropfen aus den Nasen und mir die Haare peitschend ins Gesicht zu hauen. Als fönerprobte Rheintalerin bin ich nicht so schnell klein zu kriegen. Auch Rolf hat ja diesbezüglich schon einiges in der schönen West- und Innerschweiz und in Patagonien erlebt. Dennoch – wir haben jede Minute, jede Sekunde fast, genossen, in der der Wind mal nicht an uns rumzerrte und wir den Sonnenschein einfach so geniessen konnten. Kam hinzu, dass wir es nicht wagten, unsere Wohnkabine vom Ford zu trennen aus Angst, dass sie beim Auf- oder Abladen von den teilweise heftigen Böen von ihren dünnen Stelzen geworfen würde. Schon fest montiert auf der Pritsche schaukelte alles hin und her, dass man seekrank werden konnte oder wegen des unregelmässigen Schaukelns am ruhigen Schlaf gehindert wurde. Merke: Wenn du Wert auf eine perfekt sitzende Frisur, stets warme Nase oder ungestörte Nachtruhe legst, gehst du dem Camping in Island besser aus dem Weg und buchst eine Rundreise mit Hotel oder B&B.

Wasserfall

Foss heisst das hier in Island und es gibt unzählige davon. Da gibt es natürlich breite, hohe, grosse, kleine, versteckte, protzende, gischtende, plätschernde, mit Zugang hinter den Foss, mit Zugang über dem Foss… Du ahnst es: Island hat viele Wasserfälle und alle sind sie einzigartige und einfach wunderschöne Gaben der Natur. Man könnte Bände füllen, wollte man alle fotografieren und beschreiben. Da ich das nicht vorhabe, seien hier im speziellen erwähnt: Seljalandsfoss – Der, den man auch von hinten bestaunen kann. In dessen Nähe gibt es noch 2 kleinere Wasserfälle, wovon der eine nur durch eine Felsspalte sichtbar ist. Gulfoss – Der, der eine furchteinflössende Schlucht im rechten Winkel runterzischt. Dynjandi – Der, der sich kaskadenförmig in immer kleinere aufsplittet. Godafoss – Der, der dank einer Brücke von beiden Seiten bestaunt werden kann. Merke: Die Wasserfälle sind trotz ihrer grossen Zahl jeder für sich ein Erlebnis. Man muss aber nicht jeden besuchen – eine gute Auswahl tut’s auch. Zumal gerade in der Zeit der Schneeschmelze von April bis Juni hinter jeder Kurve die Natur ein Wasserspiel einrichtet.

Vögel, die Hauptbewohner

Vögel zu beobachten, ist was Feines, finde ich. Und in Island gibt es dazu unerschöpfliche Gelegenheiten. Also, gäbe es, denn natürlich legten wir fast täglich weite Strecken zurück und ich sah die meisten von den gefiederten Freunden nur durch die Autoscheiben. Dennoch – immer wieder staunte ich ob den Scharen von Graugänsen und Singschwänen, die sich von den vorbeifahrenden Autos kaum stören lassen in der Futtersuche. (Nur wenn ich sie fotografieren wollte, hauten sie immer ab!) In kleinsten Tümpeln finden Birdspotter Eider-, Krick- und Stockenten. Auch Austernfischer sieht man zuhauf und natürlich Goldregenpfeifer, Rotschenkel und …ach…so viele Vogelarten, die ich auf die Entfernung gar nicht zuordnen konnte. Ganz zu schweigen von all den Möwenarten, die ihre Flugkünste immer wieder demonstrierten, wenn ich aus dem fahrenden Auto die steilen Felswände beobachtete. Dort nisten sie zu Tausenden. Am nächsten kamen wir ihnen auf dem Vogelfelsen Latrabjarg. Nur 2 Meter trennten mich von den ruhenden Möwen. Da sah ich auch Trotellummen dicht an dicht, die versuchten, ihre wertvollen, smaragdgrün-schwarz-gesprenkelten Eier vor Nesträubern wie zum Beispiel Raben oder Menschen, die – ganz legal übrigens – diese Delikatesse unter halsbrecherischen Umständen «ernten», zu schützen. Die Papageientaucher mit ihren bunten Schnäbeln sahen wir woanders ganz nah, bei Borgarfjördur Eystri, was erstaunlicherweise kaum bekannt ist. Dort wurde im Hafen ein Vogelfelsen mit Gehweg und Beobachtungsstand ausgestattet und die putzigen Kerlchen lassen sich von den Menschen nicht stören, auch wenn man nur gerade etwas mehr als eine Armlänge entfernt an sie rankommt. Merke: Vögel hat es in Island einiges mehr als Menschen, es ist das reinste Vogelparadies! Und – wenn du durch die steppenhaften Frühlingswiesen oder das Gras auf dem Campingplatz läufst und dich wunderst ob der vielen Hundekacke…dann irrst du, denn das sind die Hinterlassenschaften von Schwan, Gans und Co.!

Robben/Seehunde

Die fidelen Säuger, die verspielt ihre Köpfe aus dem Wasser recken, um Strandbesucher neugierig zu beäugen, hatten mein Herz hier in ihrem natürlichen Habitat im Sturm erobert! Schon bei der ersten Sichtung am vierten Island-Tag bei Stokksnes war ich hin und weg, als wir sie in einem kleinen Meerespool beobachten konnten. Auch Rolf hat sofort die Kamera gezückt. Wie bei dem Spiel «Whac-a-Mole» sind ihre Köpfe immer wieder auf- und untergetaucht, die schwarzen Knopfaugen stets auf uns gerichtet. Später schwammen sie spielerisch-leicht zwischen den Eisblöcken am Diamond Beach und so richtig aus der Nähe betrachten konnten wir sie dann unverhofft bei einer Strassenkreuzung in einem Fjord und später noch einmal beim «versteinerten Troll Hvitsekur» auf einer Sandbank. Merke: Um die grauen, eher unauffälligen Robben zu sichten, lohnt sich ein genaues Hinsehen und ein gezügeltes Reisetempo, wenn du eine spezielle Gelegenheit nicht achtlos an dir vorbeiziehen lassen willst!

Island-Pferde, Rentiere und Schafe

Im Südosten kann es passieren, dass freilaufende Rentiere neben der Strasse unbeeindruckt von Motorenlärm äsen. Sie gehören zu einer Population, die von Finnland vor einiger Zeit mal importiert wurden und eigentlich nicht auf Island gehören. Definitiv zum Bild von Island gehören aber die Pferde, die auf grossen Weiden ihre Freiheit geniessen. Sie werden behütet und gepflegt und es gibt viele Gelegenheiten, mal das «Glück auf dem Rücken eines Pferdes» auszuprobieren. Vor allem in den westlichen und nördlichen Teilen Islands laufen einem oft Schafe, meist Mütter mit ihren Lämmern, vor das Auto. Sie werden seit Wikingerzeiten sehr frei gehalten, irgendwo liegen auch immer offene Siloballen herum, falls es mit dem Gras mal knapp würde. Und witzigerweise werden im Frühjahr die Schafe oft nur zur Hälfte bis zum Euter geschoren! Der Grund dafür blieb uns verborgen, trotz Internetrecherche. Und auch wenn für die besondere Wolle der Islandschafe geworben wird mit wenig Kratzeffekt – Wir halten uns lieber an Baumwolle bei Bekleidung, sorry. Aber es gibt hübsche Deko und Schmuck aus dem Horn der Schafe. Übrigens – Rindviecher haben wir fast keine gesehen und in der Fleischtheke dominiert klar Lammfleisch. Merke: Vierbeiner geniessen auf Island grosszügigen Freiraum und die Landwirtschaft ist stark auf sie ausgerichtet.

Grundsätzlich ist Island ein Reiseziel für langsamen Tourismus. Wer nur die «10 wichtigsten Sehenswürdigkeiten» abklappern will…dem entgeht die wilde, geheimnisvolle und betörende Schönheit dieses Eilands, das gelassen und ruhig, mit gelegentlichen Temperamentsausbrüchen im europäischen Nordmeer zwischen Grönland und Nordeuropa gemütlich vor sich hin dümpelt und nur darauf wartet, Besucherinnen und Besucher zu verzaubern mit unglaublichen Naturschauspielen und einer allgegenwärtigen Gelassenheit der menschlichen Hektik gegenüber. Island ist ein Land, das einen träumen und zur Ruhe kommen lässt.