Wir fahren weiter und landen am 15. Mai in Reykholar, einem kleinen Dörfchen mit immerhin Tankstelle, Kirche, Schule, einem Ortsmuseum mit ausrangierten Fischerbooten, zwei Fabriken und heissen Quellen, von denen die eine gefasst ist und den Pool speist. Der gehört zum Campingplatz, so quasi. Auf jeden Fall dient er als Duschgelegenheit – extra zu zahlen natürlich. Im HotPot hatten wir einen netten Plausch mit einem Isländer, der uns von seinen Freunden erzählte, die – auf Urlaub in der Schweiz – vom für sie zu heissen Unterland in die kühlen Berge flüchteten! Und so erklärte sich nun auch für uns der zuvor nicht nachzuvollziehende Brauch, beim kleinsten Sonnenstrahl sämtliche Fenster und Türen in Cafés zu öffnen: Die Isländer sind so sehr an Kälte gewöhnt, dass sie bei Temperaturen um die 10 Grad schon ins Schwitzen kommen! Unter Ornithologen gilt Reykholar als Geheimtipp, weil man hier Sterntaucher beobachten kann. Die schaukeln so ekegant auf den Wellen…was man auf unserm Foto zu wenig sieht. Dafür sieht man den Fumarolen, der vor sich hin zischt und brodelt und heisses Wasser an die Oberfläche spuckt…mitten in der Landschaft! Was mich dazu brachte, zwei Spaziergängerinnen der Nachlässigkeit mit einem Zigarettenstummel zu verdächtigen, ups…
Am 16. Mai reisen wir weiter in die Westfjorde rein. Es geht über Hügel, dem Meer entlang, manchmal durch Tunnels und blaues Meer, schwarzbraune Felsen, steppenartige Felder wechseln sich ab mit Schneelandschaften und natürlich, Wasserfällen über Wasserfällen. Auge und Kamera sind stets «on duty», Rolf muss oft die Fahrt unterbrechen, weil ich wieder unbedingt was fotografieren möchte. So gereichen auch kurze Fahrtzeiten zu langen Ausflügen.
Als wir in den Fjord einbiegen, der uns an den nächsten Platz bringen soll, fallen mir Leute auf, die etwas fotografieren. Ich schaue genauer hin: Es sind tatsächlich drei Seehunde, die ungerührt ob des Entzückens, das sie entfachen, in der Sonne liegen und den Tag geniessen.
Sie sind einfach bezaubernd – immer wieder. Warum gibt es eigentlich keine Kinder-TV-Serie mit einer Robbe als Hauptfigur? Flipper, Fury und Lassie funktionieren ja auch!
Unglaublich – Kurz nach den Robben finden wir dieses Schiffswrack am Strassenrand! Es ist das letzte Stahlschiff unter Isländischer Flagge gewesen und verwittert hier in Würde. Und dient als Fotokulisse, natürlich.
Ungeheuerlich – Kurz nach dem für ewig gestrandeten Schiff entdecken wir die Überreste eines Flugzeugs, einen Hangar und Aviatikhäuschen neben einem Restaurant an der Strasse nach Breidavik. Es ist dies ebenfalls eine Gedenkstätte, diesmal für einen Amibomber, der nach dem Krieg noch Einsätze für Island geflogen ist.
Breidavik ist unsere Nächtigungs-Station. Wir sind etwas enttäuscht vom Platz, der nichts Bemerkenswertes an sich hat, ausser fehlendem Wasserschlauch, dürftiger sanitärer Anlagen und einem verhältnismässig hohen Preis und wir freuen uns darauf, ihn am nächsten Tag mit einem auf der anderen Seite des Fjord-Fingers, sprich über dem Hügel, zu tauschen. Der Tipp kam von den Robben-Beobachtern (siehe oben), einer Familie aus Neuchâtel, die für ein Jahr im Camper unterwegs sind. Sie erzählten uns von dem kleinen, aber feinen Platz am Strand in Melanes. Doch zuvor gibt es noch was zu sehen in der Nähe von Breidavik, was uns ja überhaupt erst zu diesem Campingplatz führte.
Latrabjarg ist der bekannteste und 14 Kilometer lange Küstenabschnitt, an dessen Felswänden Tausende von Seevögeln ihre Nester bauen. Am beliebtesten sind sicher die Puffins – Papageientaucher aber leben die meiste Zeit des Jahres auf dem Meer und kommen nur zum Brüten an die Küsten.
Für Papageientaucher waren wir am Latrabjarg zu früh dran oder wir waren zu faul, um lange zu suchen. Weiter nördlich haben wir sie dann aber gefunden – später…und auch wieder dank dem Tipp von Annick und Michael (Thewoods), die wir später nochmal trafen!
Foto 1: Zum Greifen nah und gänzlich an die neugierigen Menschen gewöhnt: Möwen aller Art lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Ausser von diebischen Raben, die gerne Eier schlecken.
Foto 2: Etagenwohnungen sind doch echt Scheisse! ÄRRWIN!! Nächstes Jahr ziehn wir früher los und wehe, du kriegst dann nicht ne bessere Lage!
Foto3: Die Lummen drängeln sich dicht an dicht, mit dem Gesicht zum Felsen, weg vom kalten Wind und der gischtenden, wildtosenden See weit unter ihnen.
Foto 4: Die Eier der Lummen sind wunderschön gezeichnet! Lummen gehören wie die Papageientaucher zu den Alkvögeln und die brüten da in grossen Kolonien. Was wiederum die (legalen) Eiersammler freut, die sich seit Generationen auf die Delikatesse freuen. Und damit meine ich nicht die räuberischen Kolkraben!
18. Mai Melanes tut der Seele gut! Der Tipp (oben bei den Robben erwähnt) erweist sich als goldrichtig, auch wenn die Fahrt über einen kleinen Pass mit Piste und «heissen» Kurven führt. Am Platz hat es kleine Hütten, eine fürs Duschen, eine für die Toiletten, eine fürs Abwaschen und ein paar versprengte zum Schlafen. Wir sind – wie oft auf den Plätzen jetzt im Mai – stundenlang die Einzigen da. Nur gegen Abend kommen ein paar andere Westfjord-Reisende, die meist am nächsten Morgen wieder weiterziehen. Wir bleiben hier, Zeit haben wir und uns gefällt’s.
Ein paar Gehminuten entfernt beginnt ein traumhafter Sandstrand – man wähnt sich in der Südsee! Menschenleer, kilometerlang und umrahmt von tiefblauem Himmel und sattblauem Meer.
Wie schon früher bei Latrabjarg finde ich hier an Land gespülte Schwämme. Die eignen sich hervorragend zum Waschen inklusive Peeling! Der feine Sand hält sich lange in den kleinen Poren. Ein Geschenk der Natur für mein Beautycase!
Der alte Mann und das Meer…
Der vulkangeborene Fels trotzt Wind und Wetter seit Millionen von Jahren und gibt nur stückweise was ans Meer ab. Die Felswände ändern so stetig ihr Aussehen. Wir Menschen neigen dazu, in allem, was wir sehen, Gesichter zu erkennen – eine Schulung von Auge und Hirn aus frühkindlichen Tagen. Und so fasziniert mich immer wieder, wenn eine Felsformation menschenähnliche Züge gewinnt.
Auch von der anderen Seite sieht dieser Felssolitär aus wie ein stoischer Kerl, der sich dem Meer trotzig entgegenstellt. Übrigens – das Wort «Kerl» leitet sich her von «Karl», was isländisch/norwegisch «Mann» bedeutet…so nebenbei erwähnt…
Was macht «mein Karl» Rolf, wenn Yvette mal wieder ihrer Fotografierlust frönt? Er checkt seine Filme auf der Kamera. In ein paar Jahren werden sich viele Wartezeiten auf beiden Seiten angesammelt haben…
Strandgut der besonderen Art: Ein Wirbelknochen von einem Wal. Walüberreste begleiten uns an Islands Küste öfter. Wie die Berge von Schwemmholz werden sie gerade bei stürmischem Wetter von der See an Land geworfen, ausgespuckt wie Speisereste, die sich zwischen den Zähnen der Zeit verkantet haben…schlicht dem ewigen Kommen und Gehen des Lebens Rechnung tragend.
19. Mai Wir ziehen weiter und rechnen mit einer Fahrzeit von über 3 Stunden nach dem alten Navi. Doch siehe da, ein noch junger Tunnel verkürzt uns die Reise um fast eine Stunde. So haben wir genug Zeit, den wundervollen Dynjandi zu bestaunen, den breitesten und in vielen Kaskaden sich ins Tal ergiessende Wasserfall. Majestätisch thront er über dem kleinen Tal. Und weiter unten vereinen sich kleinere «Fosse» mit dem Dynjandi zu einer wahren Symphonie von Wasserfällen.
20. Mai Bolungarvik liegt am Ende der Strasse, die hinter Isafjördur ins Nichts verläuft. Ein kleiner Ort, der von der Fischerei lebt und wohl auch vom Kiesabbau. Hier richten wir uns gemütlich auf dem Campingplatz ein, der zum Schwimmbad – Sundlaug – gehört. Immer, wenn ein Pool in der Nähe ist, erübrigt sich der Bau einer Dusche für die Camper – man geht einfach ins Bad und gut ist’s. Die Leute sind so nett und wir geniessen es, den Platz tatsächlich für 3 Nächte ganz für uns zu haben.
Es ist schlicht herrlich hier – bei winterlichen Temperaturen unter strahlend blauem Himmel lässt es sich gut sein im HotPot des Schwimmbads. Das Wasser ist bis 38 Grad warm, im Whirlpool bis 42 Grad und dann gibt es da noch die wirklich fast luxuriös ausgestattete Sauna mit Ruheliegen und Speziallampen. Am Abreisetag scheint uns im Bad nicht mehr die Sonne ins Gesicht, sondern es piksen uns Schneeflocken. Dem Genuss tut es weder uns, noch der Dorfjugend einen Abbruch…Islands Kinder sind an Kälte gewöhnt!
Byebye – bleibt gesund bis zum nächsten Mal! Und wie immer – aktuellere Updates gibt’s auf Facebook oder Instagram! Press the buttons!