Von einer Hauptstadt zur nächsten – das ist unser Fahrplan! Die Reise führt uns im Hochland Boliviens vorbei an kleinen Dörfern, wo Kleinbauern das Land nach alter Väter Sitte bewirtschaften. Wir sehen kaum Landwirtschaftsmaschinen, dafür eine Menge von Ochsen- und Maultiergespannen, die Pflüge oder Karren ziehen. Hinter dem Pflug läuft die Familie und sät oder setzt Pflanzen wie Mais, Kartoffeln, auch mal Kürbis oder Kohl. Wir sehen wieder viele Terrassenfelder, manchmal richtig steil die Hänge hinauf. Das Land erodiert stark, Wasser ist ein rares Gut, was sicher auch der Urbarmachung geschuldet ist. Doch hier wird seit Tausenden von Jahren so gewirtschaftet und noch erhält das Bauerngewerbe die Familien der indigenen Völker in den Anden. Bei einem Fotohalt wird ein Bauer auf uns aufmerksam und er schwatzt ein wenig mit Rolf, während ich Fotos mache. Mit einem herzlichen Lachen wünscht er uns eine sichere und gute Weiterreise – was für eine nette Begegnung! In Oruro, einer wirklich nicht sehr schönen Stadt, feiern wir Premiere: Wir übernachten auf dem Flugplatz, weil es laut unserer Reiseapp iOverlander weit und breit der sicherste Stellplatz ist. Das sehr freundliche Wachpersonal ist fasziniert von unserer Kabine, die viel mehr Platz bietet als von ihnen vermutet. Und wieder stellen wir fest: Die Menschen sind ähnlich wie in der Schweiz – eher distanziert auf die Entfernung. Dann jedoch sehr freundlich, wenn man auf sie zugeht. Vielleicht sind allgemein Bergvölker einfach so?
Am folgenden Tag nehmen wir den Rest der Strecke nach La Paz unter die Räder. Der Weg in die Metropole mit Regierungssitz von Bolivien führt über die einstmals selbständige Stadt El Alto – eine Ansammlung von Häusern entlang des Rands der Schlucht, in deren Abgründen sich La Paz ausbreitet. Immer wieder will uns Google Maps direkt in die steilen Strassenschlunde führen, die – so haben wir das Gefühl – senkrecht im Häusermeer unter uns verlaufen wie Wasserfälle aus Sand und Stein. Wir gehorchen den Anweisungen aus dem Lautsprecher wohlweislich nicht und bleiben stur auf der Hauptstrasse Ruta 1, bis sie in die Ruta 3 mündet – eine breite, mehrspurige Strasse, für die wir Maut zahlen. Aber die windet sich in grosszügigen Kurven und über Brücken hinunter auf den Talboden und führt erst unten mitten durch die belebte Grossstadt. Da wartet zwar Stau an den Ampeln, aber immerhin fahren wir auf Asphalt. Bis wir in eine der vielen kleinen Schluchten abzweigen und sich die Strasse in die Höhe schraubt, zu Schotter wird und wir schimpfend im Durcheinander der Häuser irgendwann endlich den angestrebten Stellplatz finden. Und da bleiben wir dann für fast eine Woche, in der Rolf von „Montezumas Rache“ heimgesucht wird, wir die Schweizer Nati in den Achtelfinal anfeuern, unserm Wagen einen Ölwechsel gönnen und Spass haben, die Stadt von oben zu geniessen.
Nachdem die Erreichbarkeit eines gewissen Örtchens für Rolf nicht mehr so dringend ist, machen wir uns auf in die engen Gassen von La Paz und zahlreiche, hier versteckte Entdeckungen. Es gibt überall in der Stadt verteilt Märkte, wo man tatsächlich alles kaufen kann, was das Herz begehrt. Den Hexenmarkt sehen wir leider nur beim Durchfahren mit dem Taxi – wir finden ihn später vor lauter anderen Angeboten nicht mehr. Ich brauche dringend eine neue kleine Kamera, um weiterhin Nahaufnahmen in der Natur zu machen. Die alte Kamera hat zuviel Sand im Getriebe und ihr Zoommotor läuft heiss.. So suchen wir erstmal nach einem Händler für Kompaktkameras. Danach dann tauchen wir ein in einen der vielen Märkte in den Strassen von La Paz. Und staunen ob der Vielfalt des Dargebotenen: Mais in ungewohnten Farben, Kartoffeln und Gewürze, Weihnachtsschmuck und Haushaltwaren, Kleider, Schuhe…und dazwischen Fleisch und Essensstände. Ein herrlich buntes Gewimmel!
Die berühmte Bahn „Mi Teleferico“ ist ein Geflecht von zehn Seilbahnlinien, das sich auf eine Gesamtlänge von 30‘430 Kilometer erstreckt. Jährlich nutzen an die 300‘000 Fahrgäste diese komfortable, aber nicht ganz günstige Fortbewegungsart hoch über den Dächern von El Alto und La Paz. Auch wir gesellen uns an zwei Tagen zu ihnen und geniessen die Aussicht über diese einzigartige Stadt, die sich vom Boden der Schlucht, die vom Choqueyapu-Fluss geschaffen wurde, hoch hinauf zum Altiplano schraubt. Und je nach Höhenlage sind die Einwohner reicher oder ärmer – in den tieferen Lagen ist das Klima weitaus angenehmer als höher oben und so orientiert sich die wohlhabende Schicht eher nach unten und umgekehrt finden sich die provisorischen Backsteinhäuschen der Einkommensschwachen eher in den Höhen der vielen Seitenschluchten. Mit der Teleferico zu fahren macht enorm viel Spass, ich hätte gern noch einen weiteren Tag in den luftigen Höhen mit Ausblick auf den Alltag der La Pazer von oben verbracht.
Zum Abschied gönnen wir uns noch ein Fondue im Swiss Chalet – Naja, es war ein Experiment und das ist dann mehr oder weniger gelungen. Fondue in Bolivien – kann man, aber muss man nicht versuchen, weil geschmacklich gewöhnungsbedürftig – für Schweizer Gaumen zumindest. Am Samichlaustag dann geht es weiter durch die Anden, Peru wartet!