Am Montag geht es nach einer ruhigen Woche an der Westküste wieder ins Landesinnere. Wir wappnen uns für wärmere, um nicht zu sagen heissere Zeiten! Nur wenige Kilometer von Swakopmund entfernt liegt in der sonnengeheizten Wüste Namib der Welwitschia-Drive, für den man Eintritt bezahlt. In diesem Park sollen Hunderte dieser Pflanze, die aus einem Stamm und nur einem Blattpaar besteht, gedeihen, die dank einer sehr tiefen Pfahlwurzel selbst grosse Dürrezeiten übersteht.

Untersuchungen haben ergeben, dass Exemplare zwischen 500 bis 600 Jahre alt sind und die grössten Welwitschien sollen gar ein Alter von bis zu 2000 Jahren haben. Vermutlich heisst sie deshalb in Afrikaans «tweeblaarkanniedood», was etwa „Zwei-Blatt-kann-nicht-sterben“ bedeutet. Auf der Fahrt zum Park mit diesem Naturwunder entdecken wir beidseits der Strasse jedoch soviel von diesen Pflanzen, dass wir entscheiden, uns mit diesen Exemplaren zu begnügen. Viel spektakulärer würden die Bilder der Welwitischie auch im Park nicht gelingen. Und später auf der Reise begegnen wir dieser bemerkenswerten Pflanze noch oft, teilweise dicht an dicht, woran man sieht, dass gutes Marketing einfach alles ist!

Da wir ja für die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten, die auf uns warten, eigentlich immer mit dem zusammengeklappten Camper unterwegs sind, planen wir die Route so, dass wir möglichst viel auf der Fahrt zu sehen bekommen. Damit wir dann am Standort nicht wieder für eine kleine Tour alles zusammenpacken müssen, schauen wir, was am Weg liegt und ob man vom Platz aus auch Dinge zu Fuss erkunden kann. So steht auf der Reise zum nächsten Standort «Ameib Ranch» auch noch die Durchquerung des Moon Valley an.

Nur wenige Kilometer von der Küste hat hier das Zusammenspiel von Wasser, Wind und Sonne eine bizarre Landschaft geschaffen, die stark an die Bilder vom Mond erinnern. Gezackte Felsen, tiefe Täler, vegetationsloses Gestein lassen erahnen, wie furchteinflössend und gespenstisch die Gegend auf Menschen in früheren Zeiten gewirkt haben muss. Und dann plötzlich tut sich vor unseren Augen ein Anblick auf, der jedes Herz höherschlagen lässt: Die Goanikontes Oase empfängt uns mit viel Grün, bunten Blumen und frei umherstreifenden Hühnern, krähenden Güggeln und neugierigen Ponies! Und es gibt nebst tollen Mahlzeiten ein selbst gebackenes Brot und Süsses zu kaufen, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft! Leider fehlt uns die Zeit, auch den Minizoo und das Museum zu besuchen, denn unser Ziel für heute heisst: Ameib Ranch, wo Giraffen und anderes Sehenswertes auf uns warten, wie wir von den uns vorauseilenden Shipment-Gspänli Stefan und Karin wissen.

Rolf fängt gegen Ende der Strecke scherzhaft an zu mosern:» Wo bleiben denn nun diese Viecher?» Schliesslich hat uns das Foto einer Giraffe, von Stefan gesandt, gluschtig gemacht auf diese Gegend. Natürlich finden wir auch die Warzenschweine und Erdhörnchen toll, die uns am Wegrand mit ihrem Anblick beglücken. Doch eine Giraffe…so ganz ohne Zoo rundherum…das ist halt schon ne andere Hausnummer. Und plötzlich stehen sie da – zwei elegante, wunderbare Tiere, direkt neben der Strasse! Was für ein Anblick – so majestätisch und erhaben. Sie scheinen genauso verblüfft wie wir und gucken uns verwundert an, abwartend, was das motorisierte Vehikel als Nächstes tun wird. Irgendwann entschliessen sie sich, weiter zu ziehen und kreuzen vor uns die Strasse. Wir sind schlicht wie verzaubert und lösen uns nur ungern aus diesem magischen Moment. Was wir da noch nicht wissen – ein Giraffenbulle wird uns am Abend noch näher mit seiner Gesellschaft beehren.

Doch erstmal lassen wir uns unsern Platz auf der Ameib Ranch zeigen. Hier, wie nahezu überall, wo wir bisher waren, sind wir fast die einzigen Gäste. Es gibt zwar noch eine Reisegruppe aus Deutschland, die zum Wandern nach Namibia gekommen ist, auf dem grossen Platz. Ansonsten haben wir das Gelände samt Swimmingpool für uns allein, denn die Gruppe reist am nächsten Morgen wieder weiter. Bevor wir uns installieren für die Nacht, fahren wir weiter ins Tal hinein zum Elephantshead und zur Bulls Party – beides markante Gebilde, die sich aus dem Fels geschält haben durch Jahrmillionen von Erosionseinwirkung. Und auf eben dieser Fahr scheuchen wir zuerst eine Pavianfamilie auf und dann steht unvermittelt ein Prachtbursche von Giraffenbulle nur wenige Meter entfernt vor uns. Namibia beschenkt uns immer wieder mit Momenten der Wildtierbegegnungen, die einfach unfassbar berührend sind. Doch auch die Landschaften sind einzigartig schön und die Menschen immer wieder so ungemein freundlich. Wir freuen uns an diesem Abend über alles, was uns heute begegnet ist – von der urtümlichen Pflanze über die unwirkliche Mondlandschaft bis hin zu den Tiersichtungen und den skurrilen Felsen.

Am nächsten Tag geht es früh los mit einer Wanderung zur Phillipshöhle, in der Felszeichnungen von den Buschleuten zu sehen sind. Weil mit hohen Temperaturen zu rechnen ist, empfiehlt sich die Wanderung am frühen Morgen. Wir laufen durch Steppe und kraxeln über Felsplatten rauf und runter und geniessen die Kühle, denn wider Erwarten ziehen schattige Wolken über uns und erleichtern uns die Wanderung. Nur noch etwa 200 Meter trennen uns von der Höhle, als ich bei einem etwas anspruchsvollen Kletterteil von meiner Höhenangst eingeholt werde. Nein – da käme ich nicht mehr runter, sagt mein Gefühl. Auch wenn ich es bedaure, ich bleibe zurück und Rolf geht allein weiter. Derweil werden wir eingeholt von der Wandergruppe, die locker an mir vorbeizieht. Ich geniesse derweil die schöne Aussicht für mich allein und vor allem die Stille, die nur selten von Vogelgezwitscher unterbrochen wird. Bald ist auch Rolf wieder da mit tollen Bildern von den Felszeichnungen und gemeinsam machen wir uns auf den Rückweg.

Unterwegs setzen wir uns einfach mal hin und hören – Nichts! Wie erholsam für Ohren und Augen, wenn da einfach mal völlig unspektakulär nichts passiert und man einfach seine Seele baumeln lassen kann.

Am Abend gönnen wir uns ein feines, selbst zubereitetes Essen und schauen in den sternenübersäten Nachthimmel, an dem die Milchstrasse deutlich erkennbar ist. So langsam erahnen wir die umwerfende Schönheit dieses Landstriches, die man nur erleben kann, wenn man als Camper in der Natur unterwegs ist.