Nach dem fantastischen Erlebnis «Krüger Park» mit den überwältigenden Tiererlebnissen bewegen wir uns Richtung Panorama Route. Dort wartet vor allem eine von Bergen und Schluchten beherrschte grüne Landschaft auf uns. Als vor Jahrmillionen die Drakensberge durch Vulkanismus gebildet wurden, entstand auch das sogenannte Highveld, eine Hochebene, die entlang der Panorama Route an die 1000 Höhenmeter tief abfällt ins Lowveld, das sich weit bis zum Krüger Park hin erstreckt. An den Berghängen regnen Wolken so fleissig ab, dass es hier angenehm kühl und oft auch sehr nass ist. Wie die Betreiberin des Restaurants auf unserem Campingplatz bei Graskop es beschreibt:» In Graskop erlebst du oft an einem Tag 4 Jahreszeiten!»
Wir sind jetzt auch zum Schlafen wieder in unserem T-Mobil unterwegs und haben ein paar Tage zu zweit verbracht. Doch Kim und Marcel treffen wenig später auch in Graskop ein und mieten sich eine kleine Unterkunft für ein paar Tage in der Nähe. Marcel kutschiert uns alle mit seinem Mietauto zu den Sehenswürdigkeiten, ein Chauffeurdienst, den Rolf speziell geniesst, kann er endlich auch mal einfach nur zum Fenster raus gucken!
Die Panorama Route hat ihren Namen zu Recht. Auf dem Weg zu den Wasserfällen und speziellen Aussichtspunkten eröffnet sich uns immer wieder ein atemberaubender Ausblick auf das tiefer gelegene, bis zum Horizont reichende Lowveld. Der Blyde River hat hier eines der grössten Naturwunder Afrikas geschaffen: Einen Canyon von 26 km Länge und bis 800 Meter Tiefe. Entlang dieser Schlucht, die gesäumt ist von sattgrünen Hängen, wurden einige Wasserfälle zugänglich gemacht und ganz speziell sind die ausgewaschenen Felsen bei Bourkes Luck Potholes.
An der Panorama Route liegen aber noch viel mehr Höhepunkte. Zum Beispiel die «Three Rondavels», eine Felsformation, die an die Rund-Hütten der Einheimischen erinnern. Oder Wasserfälle, die man meist auf verschlungenen Pfaden erwandern muss. Überhaupt kommen die meisten Touristen hierher, um in der Gegend zu wandern oder mit dem Rad die Hügel rauf- und runterzufahren. Dank des milden Klimas tatsächlich vergnüglicher als an vielen anderen Orten Südafrikas. Das fanden wohl auch die Produzenten des deutschen Dschungelcamps, die für 2022 den Blyde River Canyon als Austragungsort von «Ich bin ein Star, holt mich hier raus» im Auge haben. Falls es denn Corona zulässt…
Im ganzen Gebiet fährt man durch dichte Wälder. Aber dem aufmerksamen Beobachter fällt auf, dass es hier praktisch kein Unterholz hat. Diese Plantagenwälder müssen ja einfach befahrbar sein, wenn das Holz geerntet wird. Rolf tut es richtig weh, diese «synthetischen» Wälder zu sehen, die kaum einer anderen Pflanzenart, geschweige denn Tieren eine Heimat bieten. Die Bäume, die hier so schön in Reih und Glied stehen, sind überwiegend «Blue Gum Trees», eine Eukalyptusart, Kiefern und Akazien. Das Holz liefert den Grundstoff für Papier und Bauholz, seltener Holzkohle und ganz selten Möbelbau. Auch wenn nur etwas mehr als 1 Prozent der Gesamtfläche des Landes Südafrika für diese Plantagenwälder genutzt wird, scheinen diese Kunstwälder unendlich zu sein, wenn man mitten durchfährt. Und wenn man sie mit den wunderschönen, dichten Mischwäldern und den Woodlands (Wald, Busch und Savanne) vergleicht, bieten sie wirklich einen sterilen, trostlosen Anblick. Aber – sie versorgen viele Tausend Menschen mit Arbeit, sowohl in der unmittelbaren Forstpflege wie auch in der weiterverarbeitenden Industrie. Und zum Glück stehen diesen gut 1 Prozent Waldplantagen immerhin 10 Prozent Naturschutzgebiete, etwa 13 Prozent landwirtschaftliche Nutzfläche und fast 70 Prozent Weideland gegenüber. Die 122,3 Millionen Hektare von Südafrika liegen also grösstenteils brach und bieten viel Raum für Natur pur!
Wie sich die Natur so anfühlt und anhört, erleben wir in nächster Nähe zu unserem Campingplatz. In Graskop ist ein Lift installiert, der einen der Klippe entlang und durch das Blätterdach direkt rund 50 Meter in die Tiefe bis zum Grund der Schlucht fährt. Und hier unten hat man so richtig das Regenwald-Feeling – Grün in allen Schattierungen, alles ist feucht, die Grillen zirpen in ohrenbetäubender Lautstärke, Libellen und Schmetterlinge tanzen durch die Luft, Spinnennetze glitzern in den spärlich durchdringenden Sonnenstrahlen und ein Wasserfall stürzt in sein über Jahrmillionen ausgewaschenes Becken. Wir sind fasziniert von diesem Ökosystem, das hier zu bestaunen ist.
Währenddessen machen sich hoch über uns Fun-Touristen daran, sich an einer Zipline über die Schlucht zu schwingen oder an einem Seil hängend kopfüber hinab zu stürzen. Und so wird unser andächtiges Schweigen angesichts der schlicht wundervollen Schönheit der Natur zerrissen vom adrenalingeschwängerten Schreckensschrei der Menschen, denen die Beschaulichkeit dieses Ortes nicht genügt. Nun ja – jedem das Seine.
Wir geniessen stiller – auch das putzige Örtchen Pilgrims Rest. 1873 wurde es wurde es gegründet, nachdem Goldfunde am nahegelegenen Bach Schatzsucher anzogen. Es entstanden Minen und auch Wasserkraftwerke, mit denen nicht nur die Mahlwerke der Hütten, sondern auch eine Strassenbahn mit Strom versorgt wurden. Und nach Kimberley verfügte Pilgrims Rest als zweite Stadt in Südafrika über eine Strassenbeleuchtung. Das kleine Städtchen ist sehr gut erhalten geblieben und heute spielt – trotz noch aktiver Goldschürfung – vor allem der Tourismus eine grosse Rolle. Seit 1986 ist Pilgrims Rest ein Nationaldenkmal.
Mit dem Besuch dieses Städtchens, das bemerkenswert gut erhalten ist, was man nicht von allen frühen Siedlungen in Südafrika behaupten kann, schliesst sich auch das Kapitel «Reisen mit Kim und Marcel». Sie fliegen bald auf einen anderen Kontinent, um ihr Sabbatical voll zu nutzen. Und wir haben noch ein letztes grosses Ziel in Südafrika: den Kgalagadi Transfrontier Nationalpark an der Grenze zu Namibia und Botswana.