Am 7. Juni ist es soweit: Wir begeben uns mal wieder in die Hände erfahrener Piloten und lassen uns über Wolken in die Nacht und über Land und Meer hinweg nach Uruguay manövrieren. Am Morgen früh begrüsst uns Montevideo mit klarer, kühler Luft – Wir sind vom beginnenden Sommer in den Winterstart gereist und haben dabei 5 Stunden plus zwei Jahreszeiten verloren!
Uruguay gilt aus diversen Gründen als die Schweiz von Südamerika – Einer ist sicher auch das gemässigte Klima hier, das im Winter die Temperaturen absinken lässt. Schnee gibt’s zwar nicht, aber ab und zu Frost in der Nacht und echt kalte Tage. Die Uruguayos sind auf jeden Fall gerüstet mit Schal, Mütze, Handschuhen, deftigen Mahlzeiten und heissem Mate-Tee, der hierzulande über den Tag hilft und immer mitkommt!
Punkt Zwei im naheliegenden Vergleich Uruguay-Schweiz: Die hammerhohen Preise für ganz alltägliche Dinge! Manchmal denken wir, dass wir in der Migros vermutlich noch etwas mehr für denselben Preis bekommen würden. Uruguay muss viele Dinge des täglichen Bedarfs importieren und das wird dann richtig teuer! Selbst Produziertes wie Fleisch (und das gibt’s echt in rauen Mengen hier) und Gemüse, teils auch Früchte wie Orangen zum Beispiel und Handwerksdienste kosten sehr viel weniger. Aber sparen können wir hier nicht, erst recht nicht, solange wir auf unser Auto warten und in Hotels und Ferienwohnungen einquartiert sind. Auch die bewegen sich nämlich im Preissegment von Deutschland, also zwischen 40 bis 50 Franken pro Nacht für Mittelklasseunterkünfte.
Und als dritter Punkt kann man vermutlich das politische System und das wirklich tolle staatliche Bildungs- und für alle zugängliche Gesundheitssystem nennen. Eigentlich ist Uruguay in mancher Hinsicht vielleicht sogar die bessere Schweiz. Vieles läuft hier einfach entspannter und doch funktioniert alles!
Die ersten zweieinhalb Wochen verbringen wir in Montevideo und besuchen eine Sprachschule, um unser Spanisch in Gang zu bringen. Das Resultat ist eher mässig, wir üben einfach zu wenig, verlassen uns aber drauf, dass wir auf diesem Teil des amerikanischen Kontinents noch genügend Gelegenheit zum Lernen erhalten werden.
Um etwas mehr als Montevideo zu sehen, mieten wir ein Auto und reisen durchs Land. Manchmal wähnen wir uns im Norden Europas – kilometerweit abgeerntete Felder, Flachland, soweit das Auge reicht. Selten mal ein Dorf. Natürlich schauen wir uns die Städte an, die auf dem Weg liegen, weil wir da ja auch meist übernachten. Und alle haben sie das gleiche Aufbauschema: ein quadratischer Park in der Mitte mit Kirche und anderen wichtigen Gebäuden rundherum und von da gehen die Strassen im rechten Winkel zueinander ab, bis ganz raus zu den Barrios, wo es dann Richtung grosser Strassenverbindungen langsam «ausfranst». Auch der Autobahn entlang stehen in beide Richtungen noch ein paar Kilometer lang weitere Häuser. Die Strassen sind gut zu befahren, obwohl Seitenstrassen oft unbefestigt sind. Die werden dann bei Regen zu Schlammfallen…aber es regnet nicht sooo oft und das ist wohl verkraftbar.
Auch die Trottoirs in den Städten haben oft ihre besten Zeiten hinter sich. Als man sie einst geplant hatte, durften schattenspendende Bäume nicht fehlen! Die gute Idee verkehrt sich aber ins Gegenteil, wenn die expandierenden Wurzeln den mit Kacheln befestigten Gehweg zunehmend zur Stolperfalle werden lassen. Aber wir halten unseren Blick sowieso immer gesenkt, weil die Urugayos grosse Hundeliebhaber sind, deren Hinterlassenschaft aber nie, wirklich nie, wegräumen. Robidogs würden sowieso nicht viel bringen, weil die meisten Hunde einfach rausgelassen werden. Und die an der Leine dürfen eigentlich auch überall hinmachen, mit etwas Glück immerhin an einen der Bäume, dessen Wurzeln das Trottoir sprengt und so schliesst sich der Kreis. Also – Augen auf beim Spazierengehen in Uruguay!
In der Nähe von Salto gibt es verschiedene Thermen und die entsprechenden Bäder dazu. Wir gönnen uns da einen Aufenthalt von 3 Nächten bei der Therme von Dayman und hoffen auf etwas Tiefenentspannung im warmen Wasser. Ich weiss nicht, was wir uns erwartet hatten – natürlich beeinflusst von den Mineralbädern in unseren Heimatgefilden. Auf jeden Fall nicht, dass wir erstmal im hiesigen Winter nahezu geschlossene Anlagen finden würden, die auf Sommerbetrieb ausgelegt sind! Ich meine – im Winter ist doch für eine Therme Hochsaison, oder nicht? Nun, wir finden ein Bad, das geöffnet hat und – was soll ich sagen – es war ganz okay, aber weit entfernt von den Wellness-Oasen, die man bei uns findet. Allerdings auch preislich – wir kriegen warmes Badewasser für kleinen Preis hier. Auch schön.
Ganz im Norden oben suchen wir nach der Spezialität der dortigen Gegend: Amethysten! Und wir werden fündig in einer Fabrik, die diese Bodenschätze weiterverarbeitet. Dass die in Google gefundene Adresse eine Anlaufstelle für Grosseinkäufer ist, erfahren wir aber erst, als wir schon da vor der Türe stehen. Trotzdem dürfen wir mit Sabrina, der eigens für uns im Betrieb gesuchten Person, die englisch spricht, die Anlage besichtigen. Und wir sind beeindruckt ob der Vielfalt der Amethysten, die hier aus dem Stein geholt wird. Leider ist der Besuch viel zu kurz, wir sind aber dankbar, dass wir doch soviel sehen durften, obwohl wir kurz vor der Mittagspause erst eingetrudelt sind.
Unsere Tour durch Uruguay richtet sich nach den Sehenswürdigkeiten, die wir in Reiseführern finden. Und nach unserer Reiselust. Einiges lassen wir aus, anderes entdecken wir zufällig. Am Schluss landen wir in Punta del Este, dem illustren Sommerurlaubsort an der Ostküste. Punta hat den Charme einer spanischen Bettenburg am Mittelmeer. Jetzt im Winter gehört es ganz den Uruguyaos und ist gemessen an den unzähligen Hochhäusern in Strandnähe, nahezu menschenleer. Wir geniessen die Gegend um den Hafen, die noch urtümlich ist. Und wir schauen den spielenden Robben zu, entdecken ein paar Pinguine und sind vor allem fasziniert vom Treiben der Fischer, die mit ihren Booten reinfahren und ihre Fracht entladen. Unzählige geschickte Hände befreien die Fische aus den engmaschigen Netzen und teilen sie auf für die Fischhändler. Abfälle landen im Hafenbecken und so gibt’s für Möwen und andere Fischfresser Futter satt!
Nach etwa 10 Tagen Rundreise kommen wir wieder in Montevideo an und hoffen, dass unser Auto bald mal eintrifft. Und siehe da, obwohl das Containerschiff eineinhalb Tage Verspätung hat, geht es auf einmal superschnell und wir können unser T-Mobil endlich wieder in Beschlag nehmen! Herrlich, im eigenen Zuhause anzukommen, endlich das Gepäck zu verstauen und vor allem – wieder im gewohnten Bett zu pennen!
Es gibt noch einiges zu richten am und ums Auto, dafür fahren wir auf den Platz im «Paraiso Suizo», eine von Schweizern geführte, bekannte Anlaufstelle für Neuankömmlinge. Zwei Wochen bleiben wir da und bringen alles in Schuss, waschen Wäsche, akklimatisieren uns und geniessen die Gesellschaft von Silvia und Heinz, die vor 27 Jahren hierher ausgewandert sind. Beim täglichen Apéro am frühen Abend erzählen sie uns Geschichten, wie sie hierhergekommen sind, wie sie ein riesiges Stück Land am Meer gekauft und parzelliert haben, und wie sie sehr zufällig zum Overlander-Stellplatz gekommen sind.
Und schwupps – sind 6 Wochen vorbei und wir brechen auf nach Brasilien! Und aus «Buenos dias» wird «Bom dia» (Was unsere beginnenden Anfängerkünste in Spanisch grausam sabotiert!)