Eine der wohl bekanntesten Sehenswürdigkeiten erwartet uns bald tief in der Namib. Doch zuvor reisen wir gemächlich raus aus Swakopmund und mit jedem Kilometer kommen wir uns einsamer vor. Kaum einmal kreuzt uns ein anderes Fahrzeug. Und auch wenn die Gegend jetzt im Frühling hier noch unwirtlich erscheint, sehen wir immer mal wieder was Neues – seien es Hügel, seien es Grassavannen oder ab und zu auch mal Tiere, die in der Weite nach Futter suchen. Oder – ganz speziell – ein Schloss mitten im Hochlandgebirge, erbaut von einem deutschen Offizier für seine Pferdezucht, die er kurz danach verlassen musste wegen Kriegsausbruch in Europa und dessen Pferde, so geht die Legende, der Ursprung der Wildpferde in der Wüste vor Lüderitz seien. (SieheTitelbild)
Speziell und weitherum bekannt ist auch Solitaire, ein kleiner Ort rund um eine Tankstelle mit einem Restaurant und Bäckerei. Und in der soll es einen ganz famosen Apfelkuchen geben. Das muss natürlich verifiziert werden!
Wir fühlen uns beim Schmausen der Gaumenfreude allerdings unter strenger Beobachtung – rund um uns lauern Spatzen und andere Vögel begierig auf einen ganz bestimmten Moment: Kaum schieben wir den Teller beiseite, sehen wir vor lauter um die Krümel kämpfenden Vogelleiber den Teller nicht mehr! Und schwupps – ist der Teller leergefuttert und steht wie abgespült vor uns! Aber er ist auch wirklich lecker, dieser Kuchen…
Nach dieser kurzen Pause in der glühenden Nachmittagshitze fahren wir weiter und entdecken das fruchtbare Kuisabtal, das uns mit seinem strahlenden Grün richtiggehend erstaunt. Perlhühner und andere Vögel stieben vor uns davon und erfüllen den mit Schiefer- und Kalkstein-Wänden umrahmten Canyon mit fröhlichem Gezwitscher. Rauf und runter zwischen Felsen und über staubige Weiten gelangen wir zu unserem Guesthaus Weltevrede, wo wir sehr freundlich empfangen werden. Wir geniessen die Kühle unseres Zimmers und die Ruhe auf der Farm. Übrigens – die meisten Gasthäuser finden sich auf Farmen, die sich mit dem Betreiben von Lodges und Campingplätzen was dazu verdienen, wenn nicht gar ganz auf dem Tourismus setzen. Für uns ist das immer spannend – quasi wie Ferien auf dem Bauernhof!
Beim Znacht treffen wir – wer hätte das gedacht – ein junges Pärchen aus der Schweiz. Samira und David sind für ein paar Wochen mit einem Mietauto mit Dachzelt unterwegs und nutzen hier das Angebot eines Nachtessens.Wir plaudern mit ihnen bis tief in die Nacht über dies und das. Was letztlich dazu führt, dass wir den für frühmorgens geplanten Besuch des Sossusvlei und der Sterndünen auf den nächsten Tag verschieben und einen ruhigen Pausentag einschieben. Am Abend erwartet uns wiederum eine köstliche Mahlzeit, diesmal als Dinner for Two – wir sind die einzigen Gäste! Und im Hintergrund hören wir die «bellenden» Geckos, die zu Hunderten rund um die Farm aus ihren Höhlen verliebte Rufe in die Wüste schicken in der Hoffnung, endlich von einem Weibchen erhört zu werden.
Um halb sechs Uhr morgens starten wir am Folgetag Richtung grosse Sanddünen und die Vleis – ganz oder fast ausgetrocknete, von rissigem Lehm gezeichnete Flussbette des Tsauchab.
Die beiden bekanntesten und auch zugänglichsten sind das Sossusvlei und das Deadvlei. Beide bieten für Fotos genauso tolle Sujets wie die orangeroten Sanddünen, auf deren Rücken die frühe Morgensonne scharfe Kanten zeichnet. Wir verbringen ein paar Stunden mit Fahren und Gehen auf dem sandigen Untergrund, der sich wie Tiefschnee verhält und uns viel Energie und hinterm Steuer Geschick kostet.
Und dabei steigen die Temperaturen stetig, sodass wir einmal mehr um den gekühlten Innenraum unseres Fahrzeugs froh sind.
Unsere nächste Station heisst Lovedale Farm. Und hier werden tatsächlich nicht nur Tiere gehalten, sondern auch Kaktusfeigen und Luzerne gezogen. Die Farm dient ebenfalls als Praktikumsplatz für Agrikultur-Studenten. Mit Freude erzählt uns die Besitzerin, dass hier schon seit Generationen unabhängig vom Staat gewirtschaftet wird. Sie erzeugen Solarstrom, die Gäste heizen mit Holz das Heisswasser für ihre Duschen auf. Das übernimmt Rolf dann…wie auch das Grillieren, denn hier sind wir autonome Selbstversorger.
Wir erkunden die Farm, die auf einem Hochplateau in den Ausläufern der Tirasberge auf etwa 1650 m liegt. Dabei entdecken wir im Wassertank Fische, die die Mückenlarven fressen und anzeigen sollen, ob das Wasser noch geniessbar ist. Und eine Stabschrecke hüpft mir vor die Kamera, ein wirklich seltsames Tier. Es ist wieder ein ruhiger Tag für uns und wir geniessen einfach die unglaubliche Stille, die uns sanft umfasst.
Dann geht es weiter nach Lüderitz, der dritten grösseren Stadt an der Atlantikküste. Und was für ein hübsches Gastaus uns hier auf der Shark Bay, einer Landzunge gleich beim Hafenbecken, erwartet. Alles ist sehr liebevoll im Vintagestil eingerichtet und die Aussicht auf das blaue Meer ist umwerfend.
Nach ein paar Besorgungen und einem Burger auf dem Zimmer gönnen wir uns mal wieder etwas TV – Deutsche Welle ist angesagt – um dann erschöpft in die Kissen zu sinken, denn am nächsten Tag erwartet uns ein spezielles Abenteuer: Eine Geisterstadt!
Kolmanskuppe, benannt nach einem hier verdursteten Mann Namens Coleman, findet sich ein paar Kilometer ausserhalb von Lüderitz, inmitten von Sanddünen. Der Ort wurde gross, nachdem 1908 ein paar Eisenbahnarbeiter im Sand Diamanten fanden. Tatsächlich startete der grosse Diamantenboom schon 1860 und die wertvollen Steine lagen einfach so im Sand herum! Dies ist dem im Tertiär viel höheren Meeresspiegel geschuldet – so nebenbei erwähnt. Kolmanskuppe erlebte eine kurze Blütezeit, bevor mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs nach und nach die Siedlung aufgegeben wurde. Doch die Häuser sind bislang recht gut konserviert und es lohnt sich wirklich, diese Geisterstadt zu besuchen. Wir haben auf jeden Fall unsern Spass beim Fotografieren, was das Zeug hält!
Danach verbringen wir den Nachmittag am Meer. Diaz Point wartet auf uns mit tosender Brandung, endlosen Salzpfannen und – rosa Spoileralarm – Flamingos!
Am äussersten Zipfel gibt es ein kleines Restaurant und wir gönnen uns ein Stück Rüeblitorte à la Lüderitz. Das Städtchen selbst ist keine Schönheit – wie übrigens auch Windhoek oder Swakopmund nicht. Da alles noch sehr jung ist, fehlen wirklich historische Bauten. Es gibt ein paar Häuser im Stil der Jahrhundertwende um 1900, geprägt vom damaligen Geschmack der deutschen Kolonialisten. Deshalb ist auch soviel immer noch in deutscher Sprache angeschrieben und mancher Namibier besucht die deutsche Schule. Am häufigsten jedoch hören wir Afrikaans, das die Holländer auf den Kontinent brachten. Fast mehr noch als Englisch. Aber zurück zu Lüderitz. Hier erleben wir zum ersten Mal Jugendliche, die aufdringlich betteln und in kleinen Gruppen durch die Gassen ziehen. Der Hunger und die grosse Arbeitslosigkeit, die noch durch die fehlenden Touristen verschärft wird, verlangen ihren Tribut. Bei uns löst das ein Gefühl der Hilflosigkeit, aber auch der Furcht vor Übergriffen und der Vorsicht aus. Wir vermeiden es, länger als nötig auf der Strasse zu gehen oder bleiben beim Tanken lieber im Wagen sitzen. Wie gesagt – das ist in den Städten so und auf dem Land ganz anders. So erleben wir es.
Nach Lüderitz werden wir hinaus in den Südosten des Landes reisen, wo uns viele Tiere und ein riesiger Canyon erwarten.